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Familientrennung

Abgeholt im Morgengrauen

In Hamburg wurden zwei gut integrierte Kinder von ihrer Mutter getrennt und nach Armenien ausgewiesen. Acht Jahre lang lebten sie zuvor in Deutschland. Chronologie einer nächtlichen Abschiebung

Ihren letzten Tag in Deutschland wird Liana Grigorjan nie vergessen. Am 31. März 2008 wird die 14-jährige Schülerin um fünf Uhr morgens von Motorenlärm geweckt. Sie geht zum Fenster und sieht zwei Polizeiautos und einen Bus, die in den Hinterhof einbiegen. Liana ist müde, sie begreift nicht, was dort vor sich geht, und legt sich wieder zu ihren Geschwistern. Noch vier Stunden, denkt sie, dann beginnt die Schule.

Zehn Minuten später klopft es laut an der Haustür. Als Liana öffnet, stehen ein Dutzend Personen vor ihr – Polizisten und Mitarbeiter der Ausländerbehörde. Ein Beamter sagt, die Familie werde nun abgeschoben.  Ihr blieben noch zwanzig Minuten, um ihre Sachen zu packen.

Für Liana ist das ein Schock. Seit acht Jahren lebt sie mit ihrer Familie in Hamburg, erst vor zwei Wochen hatte die Behörde die Duldung der Grigorjans verlängert. Jetzt haben die Beamten aber einen Bescheid mitgebracht, der diese Duldung mit sofortiger Wirkung außer Kraft setzt. Dem Vater werden Handschellen angelegt. "Selbstverständlich bestand die Möglichkeit einen Bevollmächtigten zu kontaktieren", sagt ein Sprecher der Ausländerbehörde.

Es ist nicht der einzige fragwürdige Vorgang, der in den frühen Morgenstunden des 31. März passiert. Die Polizisten bringen nur den Vater Ruben Grigorjan, Liana und ihren zehnjährigen Bruder Grischo zum Flughafen. Lianas kleinste Schwester, die vierjährige Sona, und die Mutter müssen in Deutschland zurückbleiben. Eine kaum nachvollziehbare Entscheidung und zudem ein klarer Verstoß gegen das deutsche Grundgesetzt, das es verbietet, Familien langfristig und für eine unbestimmte Zeit zu trennen.

Die Ausländerbehörde rechtfertigt das damit, dass die Familie ihre jüngste, in Deutschland geborene Tochter bislang nicht in Armenien registriert habe. Ohne diese Registrierung kann das Kind aber nicht abgeschoben werden. Die Grigorjans hätten ihre Abschiebung also bewusst hintergangen und die Trennung so selbst verschuldet. In Armenien hätten sie es jederzeit in der Hand, wieder als Familie zusammen geführt zu werden.

"Das ist eine bewusste Lüge der Ausländerbehörde", sagt Anne Harms von der kirchlichen Organisation "Fluchtpunkt." Eine Registrierung in Armenien ist nämlich nur dann möglich, wenn ein deutsches Familiengericht eine Änderung der Abstammungsurkunde vornimmt. Wie lange das dauert, kann aber niemand sagen. Fluchtpunkt hat gegen die Abschiebung mittlerweile Klage eingereicht.

Später wird sich der Vater häufig fragen, ob ein morgendliches Telefonat die Ausweisung der Familie hätte verhindern können. "Wenn wir rechtzeitig von der Abschiebung erfahren hätten, wäre sie vom Gericht wahrscheinlich nicht genehmigt worden", gibt Anne Harms zu bedenken. Dass Abzuschiebende um fünf Uhr morgens aus dem Bett geholt werden, hält sie für Kalkül. Schließlich ist es um diese Uhrzeit unmöglich, einen Richter zu erreichen.

Als in Deutschland die Gerichte ihre Arbeit aufnehmen, befindet sich die halbe Familie schon auf dem Weg nach Prag. Dort werden Liana, Grischo und ihr Vater in eine kleine Zelle gesteckt – ein schmutziger, stickiger Raum mit einer Toilette, in der Zigarettenstummel schwimmen. Zwölf Stunden müssen die Grigorjans dort auf ihren Flug nach Armenien warten. Grischo weint fast die ganze Zeit.

Auch Liana macht sich Sorgen – sie war noch ein Säugling, als ihre Eltern die armenische Heimat verließen. Grund für die Flucht war damals ein tödlicher Autounfall, in den der Vater verwickelt war. Die Familie des Opfers bedroht seitdem die Grigorjans mit dem Tod. Deshalb flohen die Eltern zunächst nach Russland und sechs Jahre später in die Bundesrepublik.

In den vergangenen acht Jahren haben sich die Kinder in Deutschland gut eingelebt: Liana wurde 2007 sogar zur Klassensprecherin ihrer siebten Klasse gewählt. Grischo war beliebtes Mitglied eines Boxvereins und bereitete sich auf seine ersten Kämpfe vor. Und auch Sona, die jüngste Tochter, hat hier viele Freunde.

Es ist selten, dass geduldete Personen nach so langer Zeit noch aus Deutschland ausgewiesen werden. Meist erhalten sie, sofern sie eine Arbeit finden konnten, nach sechs Jahren sogar ein dauerhaftes Bleiberecht. Im Falle der Grigorjans verweigerten die Beamten aber diesen Schritt. Sie werfen der Familie vor, unter falschen Namen eingereist zu sein. Außerdem soll Ruben Grigorjan straffällig geworden sein.

Die Folge dieser Entscheidung war, dass die Kinder acht Jahre lang zwischen allen Stühlen saßen. Einerseits konnten sie aus Deutschland nicht abgeschoben werden. Andererseits wurde ihnen ein normales Leben in Deutschland unmöglich gemacht. Verglichen mit dem, was Liana und Grischo in Armenien erwartet, war es dennoch ein gutes Leben.

Mehr als drei Monate sind die beiden nun schon in der armenischen Hauptstadt Eriwan. Da der Vater Angst um sie hat, wechselt die Familie etwa alle drei Tage die Bleibe. In einigen Unterkünften gibt es morgens nur zwischen sechs und neun Uhr Wasser, in anderen nur abends zwischen acht und zehn. In einer Schule waren Liana und Grischo in Armenien noch nie. Was sollten sie dort auch tun? Sie können nicht einmal armenische Buchstaben lesen.

Am schlimmsten ist aber die Trennung von der Mutter. Vor allem Grischo leidet darunter. In letzter Zeit beobachtete seine Schwester häufig, wie er sich zurück zieht und mit niemanden reden möchte. "Das ist voll tragisch", sagt Liana. "Mein Bruder ist noch ein Kind, er begreift das alles nicht."

Wann Liana und Grischo ihre Mutter und kleinen Schwester wieder sehen werden, ist ungewiss. Zunächst erhofften sich die Grigorjans noch Hilfe von der Hamburg Härtefallkommission – erfolglos. Zugleich blockierte die Ausländerbehörde die Arbeit der kirchlichen Rechtsberatung – bis heute verweigert die Behörde jegliche Einsicht in die Akte des Vaters. Auch brachte die Ausländerbehörde die Straffälligkeit des Vaters an die Öffentlichkeit, laut Anne Harms von Fluchtpunkt ein eindeutig rechtswidriges Vorgehen.

Was kann die Familie noch tun? Für einen nachträglichen Asylantrag ist es zu spät. Wenn die Familie allerdings belegen könnte, dass den Kindern in Armenien Gefahr droht, könnten diese trotzdem nach Deutschland zurückkehren. Die Grigorjans müssten dazu beweisen, dass die Abschiebung aus humanitären Gründen nicht hätte stattfinden dürfen. Klar ist, dass die Familie eines Tages wieder zusammen geführt wird. Die Frage ist nur, ob dies in Armenien oder Deutschland passiert.
 

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