Valentin Ignace ist ein afrikanischer Flüchtling, der davon träumt, ein berühmter Geschäftsmann zu sein. Dass er nichts zu verkaufen hat, kümmert ihn nicht.
Ein Porträt von Christian Maier
Valentin Ignace wusste schon als Kind, dass er zum Geschäftsmann berufen ist. In der Schule erschien der junge Mann aus Mali in Anzug und Krawatte, seine Hefte verstaute er sauber in einem schwarzen Aktenkoffer. Für die Kinder seines Dorfes war er eine kleine Sensation. Sie nannten ihn ehrfürchtig einen homme d´affaires, einen bedeutenden Geschäftsmann.
Doch Geschäftsmänner haben es schwer in Mali. Das westafrikanische Entwicklungsland lebt vor allem von der Landwirtschaft, vier von fünf Malier arbeiten auf dem Feld. Schon als Jugendlicher war Valentin klar: Er muss hier weg. Wohlhabend und erfolgreich wird man nur im Ausland. Also wanderte er nach Algerien aus.
An die Zeit, die er in Algerien verbracht hat, kann er sich heute kaum noch erinnern. Er weiß zwar, dass er dort eine Familie gründete und dass es ihm nicht gelang, reich zu werden. Was ihn letztendlich dazu veranlasste, allein nach Europa weiter zu ziehen? Keine Ahnung. Auch seine Jahre in Spanien, der nächsten Station seiner Odyssee, liegen größtenteils im Dunkeln. Valentins Erinnerung setzt erst im Sommer 2001 wieder ein, mit der Ankunft in einem kleinen, östereichischen Flüchtlingsheim.
Bei seiner Ankunft in dem Grazer Heim war Valentin bereits psychisch schwer krank. Er hatte manisch-depressive Phasen und glaubte, Mitglied des spanischen Königshauses zu sein. In seiner ersten Nacht legte er sich deswegen mit Matratze, Decke und Polster unter einen Baum. „Es ist einem Prinzen unmöglich, in einem so kleinen Zimmer zu nächtigen“, erklärte er dem ratlosen Personal.
Nach einigen Besuchen bei einem Facharzt war klar: Valentin leidet unter einer so genannten schizoaffektive Psychose, eine psychische Störung, bei der Depression oder Manie von Wahnvorstellungen begleitet werden. Mit Tabletten bekam Valentin sein Leben rasch wieder in den Griff: Die Halluzinationen sind heute einem realistischeren Weltbild gewichen und auch die manisch-depressiven Zustände haben sich größtenteils gelegt. Einzig am Wunsch, ein bedeutender Geschäftsmann zu sein, hält er unverändert fest.
Es ist, wenn man so will, seine Art, dem Leben als Asylwerber einen Sinn zu geben. Eine Rolle, die er sich zugelegt hat, weil ihm sein Leben als arbeitsloser Flüchtling bedeutungslos erschien. Seit sieben Jahren bastelt er am perfekten Outfit. In seinem kleinen, voll gestopften Zimmer hängen Sakkos und Krawatten über dem Bett, an der Wand lehnt ein schwarzer Aktenkoffer, auf dem Regal kubanische Zigarren. Besorgt hat sich Valentin all das auf Flohmärkten und in Second Hand-Läden.
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In dieser noblen, aber abgetragenen Kleidung geht Valentin dann ins Hotel Europa am Hauptbahnhof, einer der vornehmsten Adressen in Graz. Dort setzt er sich an die Designer-Bar, plaudert mit den Angestellten und bestellt sich einen kleinen, schwarzen Kaffee. Da Valentin kaum Geld hat, braucht es ein, zwei Stunden, bis sein Glas geleert ist – Zeit, die er nutzt, um seinen Gedanken nachzuhängen: „Ich liebe Hotels: das Ambiente, die höflichen Angestellten, die luxuriöse Einrichtung. Wäre ich nicht zum Kaufmann berufen, ich würde gerne hier arbeiten.“