Ungehorsam
Der Feldbefreier
Michael Grolm zerstört die Felder anderer Leute, wenn Genmais darauf wächst. Jetzt kommt er das erste Mal in den Knast. Wir haben ihn gefragt: Wieso machen Sie das?
Von Christian Maier
Schon als Teenager war Michael Grolm unangepasst: In seiner Freizeit pflanze er illegal hunderte Obstbäume, baute Brutkästen für heimatlose Schleiereulen und demonstrierte gegen Castor-Transporte. Grolm war kein harmloser Öko. Er war ein Rebell.
Heute ist Grolm 36. Unter der Woche arbeitet er als Imker. Doch einmal im Jahr "befreit" er mit der Initiative
Gendreck Weg
ein gentechnisch verändertes Feld in Deutschland. Gemeinsam besetzen die Aktivisten dann einen Acker, reißen die dortigen Pflanzen aus der Erde und ersetzen diese anschließend durch natürliches Getreide. Das geht meist so lange bis die Polizei kommt.
Die Idee dazu entstand im Jahr 2004. Damals besuchte gerade ein Lehrbus schwäbische Gymnasien, um Schüler über die Vorzüge der grünen Gentechnik zu informieren. Michael Grolm ging das gehörig gegen den Strich: "Das war eine Kampagne der chemischen Industrie. Da wurde behauptet, Bienen würden keinen Genmais anfliegen." Um seinem Ärger Luft zu machen, rief der Imker schließlich zu einer Anti-Gentechnik-Demo in Stuttgart auf.
Es war ein interessantes Bündnis, das sich bei der Veranstaltung traf: Studenten demonstrierten Reihe an Reihe mit Gärtnern, Punks und Bauern. Insgesamt kamen an die zehntausend Personen. Doch so einig sich die Demonstranten in ihrer Ablehnung von gentechnisch manipulierten Lebensmitteln waren, so uneinig waren sie über weitere Protestmaßnahmen.
Michael Grolm plädierte dafür, den Protest auf die Äcker zu tragen. In Italien und Frankreich fanden schließlich schon seit einigen Jahren gezielte Zerstörungen von Genpflanzen statt. Doch die meisten deutschen Naturschutzschutzgruppen reagierten skeptisch auf den Vorschlag. Selbst
Greenpeace
, die für ihre spektakulären Protest-Aktionen bekannt sind, kennzeichnen die Felder lediglich mit Hinweisschildern - die Pflanzen lassen sie unberührt.
Denn unter Naturschützern ist umstritten, ob solche Feldbefreiungen wirklich dem Anliegen dienen. Die Angst vor Zusammenstößen mit der Polizei ist groß.
Das weiß auch Grolm und deshalb gibt es in seiner Gruppe drei klare Regeln. Erstens: Wer an einer Feldbefreiung teilnimmt, muss sich schriftlich verpflichten keine Gewalt anzuwenden. Zweitens: Die Maispflanzen dürfen nur mit bloßen Händen ausgerissen werden - Hilfsgegenstände wie Messer sind verboten. Und drittens: Jeder Teilnehmer der Aktion muss nüchtern sein. Die Protestbewegung soll absolut friedlich verlaufen.
Trotz aller Friedfertigkeit – rechtlich gibt es klare Wort, für das, was Grolm und seine Mitstreiter machen: Landsfriedensbruch und Sachbeschädigung. Regelmäßig erreichen ihn Strafandrohungen von bis zu 250.000 Euro, sagt Grolm. Vor allem der amerikanische Biotech-Konzern Monsanto hat wenig Freude mit seiner Tätigkeit. Bis heute stand der Imker fünfmal vor Gericht, demnächst geht er zum ersten Mal für zwei Tage ins Gefängnis.
Die Popularität seiner Initiative leidet darunter aber keineswegs. Jüngst nominierte ihn die Tageszeitung
Taz
sogar für den
Panter
, einen Preis für Zivilcourage und soziales Engagement.
Anders als die Gerichte waren die Leser der
Taz
bereit, Grolms Argumentation zu folgen. Sie verstanden, dass gentechnisch veränderte Felder für Bio-Imker eine Bedrohung darstellen. In Kanada bedeutete der flächendeckende Anbau gentechnisch manipulierter Pflanzen etwa das Ende vieler Bienenzüchter. "Wenn sich in meinem Honig gentechnisch veränderte Pollen finden, ist das eigentlich Sondermüll", sagt Grolm. Anders als in Kanada wird in Deutschland bislang aber nur auf 3000 Hektar Genmais angepflanzt. Hier fanden sich noch keine Gen-Pollen im Honig.
Nicht nur die linke
Taz
ist auf die Anliegen der Gen-Gegner aufmerksam geworden. Grolm und seine Aktivisten nutzen ihre Gerichtsprozesse als Sprachrohr, Medien greifen das Thema auf und tragen es in die Welt. Zur letzten "Feldbefreiung" Ende Juni kamen neben Demonstranten und Polizeistaffeln auch dutzende Journalisten, darunter auch ein Vertreter des britischen Fernsehsenders
BBC
.
Das wichtigste Medium für die Aktivisten ist aber das Internet. Von dort aus werden die Aktionen organisiert - sobald dreihundert Leute ihr Kommen zusichern, findet eine "Feldbefreiung" statt. Und trotz Gerichtsurteile und den Repressalien der Gen-Industrie - Michael Grolm will weiter machen: "Solange meine Existenz nicht gefährdet ist, werde ich kämpfen."