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Grand Prix in Belgrad

Ein bisschen Frieden

Danko Rabrenović wollte mit seiner Band für Deutschland im Eurovision Song Contest antreten – damit wir auch mal gewinnen. Im Zuender spricht er über Nationalismus auf dem Balkan und halbnackte Turbo-Folk-Sängerinnen

An diesem Samstag findet in der serbischen Hauptstadt Belgrad der 53. Eurovision Song Contest statt. Die Veranstaltung hat nicht nur eine musikalische, sondern auch eine politische Dimension. Kann der Grand Prix Menschen, die sich noch vor wenigen Jahren als erbitterte Kriegsgegner gegenüber standen, versöhnen? Zuender sprach darüber mit dem aus Serbien stammenden Radiomoderator und Musiker Danko Rabrenović.

Zuender: Herr Rabrenović, obwohl sie in den Neunzigerjahren Kriegsgegner waren, unterstützen sich die Bewohner der Länder des ehemaligen Jugoslawiens beim Eurovision Song Contest und geben sich gegenseitig Höchstpunktzahlen. Woran liegt das?

Danko Rabrenović (Zweiter v. rechts) ist Sänger und Gitarrist in der Ska-Reggae-Band Trovači . Mit dem Song "Kako Tako" wollten sie als Direktkandidat am Eurovision Song Contest teilnehmen, wurden vom NDR aber nicht für die Vorrunde ausgewählt. Rabrenović moderiert außerdem auf "WDR Funkhaus Europa" eine Sendung über die Kultur des Balkan.

(© Martin Schulte)

Danko Rabrenović: Es ist schon paradox – aber eigentlich leicht zu erklären. Denn obwohl die Region nicht mehr so gemischt ist wie früher, leben immer noch Serben in Kroatien, Kroaten in Bosnien und so weiter. Außerdem leben überall in Europa Ex-Jugoslawen, die dann beim Eurovision Song Contest aus ihrer neuen Heimat für die Teilnehmer aus Ex-Jugoslawien anrufen.

Zuender: Kann der Eurovision Song Contest helfen, den Nationalismus im ehemaligen Jugoslawien zu überwinden?

Rabrenović: Allein mit dieser Veranstaltung wird man das nicht schaffen. Viele Menschen haben aber durch den Eurovision Song Contest verstanden, dass wir uns kulturell ähnlich sind wie nur wenige andere Länder. Serben, Kroaten und Bosnier singen in der gleichen Sprache, viele Menschen kommen aus gemischten Familien. Es gibt sehr viel, das uns verbindet – auch wenn es wegen der Kriegserfahrungen für manche schwierig ist, sich damit abzufinden.

Zuender: Der Eurovision Song Contest findet dieses Jahr in Belgrad statt, weil 2007 die serbische Sängerin Maria Serifović den ersten Platz belegt hat. Vor ihrem Sieg gab es Gerüchte, dass die gebürtige Roma lesbisch sei,  später trat sie auf Veranstaltungen der nationalistischen Partei SRS auf. Wie passt das zusammen?

Rabrenović: Eigentlich gar nicht. Wahrscheinlich hat sie deshalb schnell dementiert, lesbisch zu sein. In der homophoben Gesellschaft Serbiens hätte sie damit schlechte Karten. Dabei wäre es eine positive Aussage gewesen, hätte sie als Roma und Lesbe gesagt: "Wir leben unter euch, und wir haben etwas geleistet für das Land." Serifović hätte ein Zeichen für Toleranz setzen können.

Manche sagen, der Song Oro der diesjährigen serbischen Teilnehmerin Jelena Tomašević habe nationalistische Untertöne.

Rabrenović: Oro ist ein Folkpop-Song von Željko Joksimović, der 2004 bereits mit Lane moje für Serbien am Eurovision Song Contest teilgenommen hat und 2006 ein Lied für den bosnischen Teilnehmer Hari Mata Hari komponierte.  In Oro gibt es die Zeile „Na vidovdan probudi me / Jos jednom da ga pogledam", übersetzt etwa: "Weck mich am Vidovdan auf, dass ich ihn noch einmal sehe.“ Der Vidovdan ist der Tag der Schlacht auf dem Amselfeld im Kosovo, bei der die Serben 1389 den Osmanen unterlagen. Dieser Tag hat für viele Serben eine große symbolische Bedeutung. Ich glaube nicht, dass Joksimović nur zufällig einen solchen Vers in einer Zeit schreibt, die von der Diskussion um die Unabhängigkeit des Kosovo geprägt ist. Den Song nationalistisch zu nennen, halte ich aber für übertrieben. 

Zuender: Sind die Länder des ehemaligen Jugoslawien aufgrund der gemeinsamen Sprache musikalisch wiedervereinigt?

Rabrenović: Der Krieg zerstörte den gemeinsamen Musikmarkt. Stück für Stück haben sich die Märkte jetzt wieder angenähert, vor allem aus kommerziellen Gründen. Es gibt viele Künstler, die im gesamten ehemaligen Jugoslawien auftreten. Aber große Tourneen durch bis zu 40 Städte wie vor dem Krieg gab es bisher nicht. Die Revival-Tour der Band Bijelo Dugme etwa führte 2005 nur durch vier große Städte, obwohl die Band in den Siebziger- und Achtzigerjahren Jahren eine der erfolgreichsten Jugoslawiens war.
 
Zuender:  Derzeit wird der Mainstream in der gesamten Region von Turbo-Folk bestimmt, einer Mischung aus Volkmusik, Schlager, Pop und Techno …

Rabrenović: … was mich sehr irritiert. Dieser Musikstil war im Serbien der 1990er Jahre der Soundtrack des Milosević-Regimes, der Soundtrack des Krieges. Den Menschen in Serbien wurde damals eine rosarote Welt vorgegaukelt. Lange Zeit wussten viele nicht, dass Bomben auf Sarajevo oder Dubrovnik fielen, denn im Fernsehen sah man nur halbnackte Turbo-Folk-Sängerinnen. Das war ein Teil von Milosevićs Strategie der Ablenkung. Heute gibt es in Sarajevo oder Dubrovnik Diskotheken, in denen die Leute die Lieder eben dieser Sängerinnen auswendig mitsingen. Was auch ein Sieg des Kommerzes ist, denn abgesehen vom politischen Beigeschmack ist Turbofolk einfach schlecht produzierte Musik mit billigen, kitschigen Texten.

Zuender: Spielt diese politische Dimension des Turbo-Folk keine Rolle mehr?

Rabrenović: Für viele junge Menschen ist diese Musik einfach nur ein guter Sound zum Feiern. In den kroatischen Medien ist die Rolle des Turbo-Folk aber nicht vergessen.  Die serbische Sängerin Ceca, die mit dem als Kriegsverbrecher angeklagten Željko „Arkan“ Ražnatović verheiratet war,  füllt dort zwar große Hallen, aber Fernsehen, Radio und Zeitungen schweigen dieses Phänomen einfach tot und veröffentlichen auch keine Veranstaltungshinweise.

Zuender: Sie sind in Belgrad aufgewachsen, leben seit 1991 in Deutschland. Wie sehen Sie die serbische Hauptstadt heute?

Rabrenović: Das ist nicht mehr meine Stadt, da leben heute andere Menschen als damals. Viele junge Menschen und Intellektuelle haben Belgrad den Rücken gekehrt, viele Flüchtlinge sind zugezogen. Unterwelt und halbgebildete Menschen spielen eine wesentliche Rolle in Medien und Politik. Heute arbeiten die serbischen Politiker gegen das eigene Volk, spielen mit Slogans wie „Kosovo, unser heiliges Land“, und die Menschen springen darauf an. Serbische Politiker kümmern sich seit 20 Jahren viel mehr um Territorien als um das Wohl des eigenen Volkes. Intellektuelle, die sich kritisch äußern, werden als Verräter oder Spione abgestempelt, denen man zudem noch unterstellt, für ihre Aussagen Geld von internationalen Organisationen zu kassieren.

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