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Bayern-Rebell

Der Typ, der gleich lostanzt

Der Musiker Hans Söllner singt seit fast drei Jahrzehnten gegen den Staat und seine Gesetze an. Wer hat gewonnen?

Hans Söllner liebt seine Heimat Bayern und pfeift auf den Staat. Sein Lied Mei Voda hod an Marihuanabam gehört angeblich zum festen Repertoire jeder anständigen Blaskapelle in Bayern.

Bekannt geworden ist er mit Politiker-Zitaten wie: „Der Gauweiler sieht so aus, als ob wir die Reichskristallnacht noch vor uns hätten" – und den anschließenden Gerichtsprozessen .

Zuender : Wir sind hier in Hamburg, Bayern ist weit weg. Was bedeutet ihnen Heimat?

Hans Söllner : Ich glaube, dass Heimat etwas Schönes ist. Sie ist mir wichtig, da ich weiß, dass viele Menschen keine haben oder aus ihr vertrieben wurden und dafür auch noch beschimpft werden.

Ich verbinde Bayern mit Kennen, sich auskennen. Ich kenne die Leute, ich spreche ihren Dialekt, ich träume sogar im gleichen Dialekt.

Heimat ist darum die Gegend aus der ich komme. Für andere kann das aber auch die ganze Welt sein oder vier Quadratmeter in irgendeiner Hütte.

Zuender : Im Norden sprechen die Leute einen anderen Dialekt. Wie ist es, hier Konzerte zu geben?

Hans Söllner : Man muss bei meiner Musik sehr auf den Text hören. Und je mehr man aufpassen muss, dass man ihn versteht, desto weniger kann man tanzen. Zuerst irritiert es mich immer, dass alle so ernst dastehen – ich bin eher der Typ, der gleich lostanzt. Aber ich glaube nicht, dass die Leute im Norden meine Musik nicht gut finden, nur weil sie in Bayern schneller tanzen. Je weiter man in den Süden kommt, desto lockerer werden die Leute.

Zuender : Sie sind mit 38 Jahren aus der katholischen Kirche ausgetreten.

Hans Söllner : Religion ist Teil meines Heimatgefühls. Als Kind bin ich in die Kirche gegangen, weil ich hingehen musste. Wir haben das nicht hinterfragt, weil es in diesem Moment nicht zu ändern war. Jede Art von Widerstand hätte unglaublich viel Kraft gekostet. Aber man muss einfach im Laufe seines Lebens einen gewissen Respekt gegenüber seiner Umwelt lernen und den auch einfordern.

Ich habe später versucht, das System mit Prozessen in die Knie zu zwingen – für die Legalisierung von Marihuana für die freie Ausübung der Rastafari-Religion .

Genutzt hat das nichts. Ich habe einfach nur viel Geld bezahlt. Mittlerweile bin ich mittlerweile auf den Trichter gekommen, dass der Staat und seine Institutionen angelogen, betrogen und hintergangen werden wollen. Auf diesem Niveau funktioniere ich jetzt ihnen gegenüber. Aber die Menschen in meiner Heimat wissen natürlich, dass ich nicht meine Nachbarn meine, wenn ich sie in meinen Texten beschreibe.

Galerie: Hans Söllner auf der Bühne

Zuender : Ihre Bekanntheit resultiert auch aus den vielen Polizeieinsätzen gegen Sie und den von beiden Seiten angestrengten Prozessen. Werden Sie auch wütend, wenn der Staat nun die Überwachung von Privatpersonen weiter ausbauen will? Stichwort Vorratsdatenspeicherung oder Onlinedurchsuchung ?

Hans Söllner : Alles was heute mit Waffen, Kriegen, Überwachung und Unterdrückung zu tun hat, hat es schon im Mittelalter gegeben. Ich bin überzeugt davon, dass wir das Höchstmaß an Zivilisation Mitte der achtziger Jahre erreicht hatten. Damals dachte ich, es müsste nur noch einen Kick geben und die ganze Welt wäre frei. Das ist nach hinten losgegangen.

Jetzt entwickeln wir uns mit einem Höchstmaß an Wissen zurück ins 17. Jahrhundert. Es werden wieder Hinrichtungen, wie die von Saddam Hussein, im Fernsehen gezeigt. Und es wird öffentlich darüber debattiert, welche Foltermethoden erlaubt sind.

Mich darum zu kümmern, ist für mich verschwendete Energie. Ich schreibe lieber gute Texte, treffe mich mit Leuten oder gehe mit meiner Familie in den Wald, Bärlauch pflücken. Mit dem anderen Scheißdreck versuchen sie nur, mich vom wahren Leben abzulenken.

Zuender : Heute vermeiden sie Formulierungen, die von einigen Repräsentanten des Staates zum Anlass genommen werden könnten, sie wegen Beleidigung anzuzeigen.

Hans Söllner : Ich habe den Staat jetzt 25 Jahre mit mir konfrontiert. Die Behörden haben geglaubt, sie könnten an mir ein Exempel statuieren und alle meine bürgerlichen Rechte mit Füßen treten. Sie haben gegen Gesetze verstoßen und sich ihr Vorgehen anschließend durch einen Richter absegnen lassen.

Es gibt Rechte, die jedem zustehen, egal, ob er ein Mörder, Vergewaltiger oder Kinderschänder ist und mir kleinem Kiffer stehen sie auch zu. Aber niemand hat sich daran gehalten. Polizisten sind in mein Haus eingedrungen, haben meine Frau und meine Kinder befragt. Irgendwann haben sie gemerkt, dass es peinlich ist, mit einer Armee aufzumarschieren und mich 250.000 Euro Strafe zahlen zu lassen, weil sie mich mit drei Gramm Marihuana erwischt hatten. Oder weil ich in 25 Jahren drei falsche Wörter gesagt habe.

Jeder Polizist da draußen schämt sich, weil die Verhältnismäßigkeit der Mittel einfach nicht stimmte.

Zuender : Früher haben sie viel Energie in Streit und Prozesse investiert. Liegt der Sinneswandel daran, dass sie seit fast 30 Jahren auf der Bühne stehen?

Hans Söllner : Ich bin älter geworden. Ich würde nicht sagen, dass sich irgendwas verändert hat. Ich glaube, dass das Leben einfach seinen Gang geht. Deswegen werde ich Veränderungen einfach als eine Entwicklung hinnehmen. Diese Entwicklung dauert so lange bis man stirbt, glaube ich.

Zuender : Von ihnen stammt der Satz „Wir müssen wieder lernen auf die Langsamen zu warten.“ Sind sie selbst ein Langsamer?

Hans Söllner : Ich bin kein Langsamer, ich war ziemlich schnell in meiner Entwicklung.

Ja also, es stimmt, ich bin ein Langsamer. Ich weiß einfach, dass bestimmte Dinge ihre Zeit brauchen um sich in mir zu entwickeln. Darunter kann ich es nicht machen.

Sachen dauern bei verschiedenen Menschen einfach unterschiedlich lange. Ich habe ein anderes Verdauungssystem als andere und bei mir dauert die Pubertät nicht drei Jahre und vier Monate, sondern fünf Jahre und elf Tage. Dafür müssen wir wieder Verständnis wecken.

Zuender : Bringen sie das auch ihren sechs Kindern bei?

Hans Söllner : Ich fordere nichts, sondern lebe ihnen vor, wie ich mir die Welt vorstelle. Ich muss aufpassen, dass ich meinen Kindern Freiraum lasse, damit sich ein Teil von ihnen frei entwickeln kann.

Ich werde mich nicht dafür hergeben, sie zu bedrohen, weil sie kein Abi machen wollen oder gar keine Schule abschließen, weil sie lieber kiffen. Das machen schon die staatlichen Institutionen.

Ich habe nicht das Privileg zu entscheiden, wie sie sich entwickeln sollen. Sie sollen ihren Weg gehen. Ich versuche ihnen vorzuleben, nicht so aggressiv zu sein oder mit wenigen Drogen auszukommen. Ich zeige Ihnen, dass es schön ist, irgendwo mal zwei Stunden zu sitzen, ohne dass man etwas zerstört oder Leute belästigt. Es ist nicht langweilig, einem Baum beim Wachsen zuzugucken.


Die Hörproben stammen vom aktuellen Album VIET NAM , erschienen bei TRIKONT Unsere Stimme

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Galerie: Hans Söllner in Hamburg
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