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RASTAFARI

Peace, Dope und eine Kugel für die Schwulen

Mehr als zwanzig Jahre nach Bob Marley entdecken wir plötzlich: Viele Reggae-Musiker sind schwulenfeindlich. Die ganze Aufregung ist scheinheilig.

Es hat sich in den vergangenen Jahren ja herumgesprochen: Reggae und der Hass auf Homosexuelle gehören irgendwie zusammen. Textzeilen wie: „Batty boy get up and run / ah gunshot in ah head man“ gefallen vielen Europäern nicht mehr, wenn sie einmal wissen, dass „Batty boy“ übersetzt so viel wie heißt wie „schwuler Mann“. Künstler wie Buju Banton können in Deutschland und England inzwischen nicht mehr auftreten, und wenn, dann nur unter erschwerten Bedingungen – Beenie Man wurde von MTV schon im Jahr 2004 ausgeladen. Lesben- und Schwulenverbände attackieren die Musiker und betiteln sie als Hasssänger. Auch ich bekomme Leserbriefe, in denen Menschen bemängeln, dass Sänger von schwulenfeindlichen Texten unkritisch in einem meiner Romane erwähnt werden. Sie verlangen, dass ich mich öffentlich distanzieren soll.

Wenn man Mitglied einer Minderheit ist, entwickelt man eine gewisse Sensibilität, oder auch übertriebene Empfindlichkeit für bestimmte Fragen. Ich weiß wovon ich rede, ich habe das Problem auch. Doch das sollte niemanden daran hindern, sich genauer mit einem Thema auseinanderzusetzen, das komplexer ist, als es auf den ersten Blick anmutet. Die Gleichung „Hass auf Schwule ist schlecht, daher sind Auftrittsverbote gut“ geht so nicht auf. Ich habe es schon mehrmals hier beim Zuender geschrieben : Es ist einfach, sich auf der richtigen Seite zu wähnen. Darum mal der Reihe nach.

Die jamaikanische Kultur ist schwulenfeindlich, Homosexualität ist dort gesetzlich verboten. Das nur als Feststellung, warum das so ist, sei dahingestellt. Aber von dort kommen die meisten Reggea-Künstler. Zudem sind nicht wenige von ihnen Rastafaris – das bedeutet, dass ihre Religion alles Homosexuelle sanktioniert. Rastafaris berufen sich auf die Bibel, dort aber nicht nur auf das Alte Testament mit dem zornigen, rachsüchtigen Gott, mit dem sich viele Formen von Hass und Gewalt legitimieren lassen, sondern auch auf das Neue, wo wir einem versöhnlichen, verzeihenden Gott begegnen (Römer 1:26,27,32).

Nachdem Spanier und Briten die jamaikanischen Ureinwohner bis zur zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ausgerottet hatten, schafften sie Sklaven aus Afrika auf die Insel. Diese haben von den Kolonisten erst im Laufe der Zeit lesen und schreiben gelernt – eine Bibel hatten sie vorher auch nicht. Als Mitteleuropäer lebst du eigentlich immer in dem Bewusstsein, dass es deine Vorfahren waren, die überall hingefahren sind, das Wort Gottes verbreitet haben und dabei Zeit und Macht genug hatten, um auszubeuten und zu schlachten, was es auszubeuten und zu schlachten gab. So ganz unschuldig werden wir an den Verhältnissen dort also nicht sein.

Halt, Stopp! Das entschuldigt doch den Hass auf Schwule nicht, höre ich rufen. Nein, sicher nicht. Nichts entschuldigt so etwas. Aber ebenso schlimm finde ich Ignoranz gepaart mit blindem Aktionismus.

Nehmen wir Bob Marley. Sein Name steht für Frieden, Liebe, Gemeinsamkeit, verkiffte Glückseligkeit. Auf ihn können sich alle einigen – eine Liebe. Doch Marley war gläubiger Rastafari und als solcher hatte er wohl etwas gegen Schwule. Ich habe keine Aussage parat, die das belegen würde, aber es ist schwer zu glauben, dass es nicht so war. Von Peter Tosh und einigen anderen Mitmusikern gibt es Zitate, denen es an Deutlichkeit nicht mangelt.

Dass dieser Aspekt bei uns nicht wahrgenommen wird, hat mit einer selektiven Wahrnehmung zu tun und dem Hippie-Weltverbesserer-Image, das Reggae hierzulande hat, aber nichts mit der Realität. Wir sehen nur das, was uns passt.

Doch nun gibt es auf einmal Künstler, die etwas offenbaren, das wir vorher ausgeblendet hatten. Sie fordern in ihren Texten dazu auf, Schwule zu verbrennen. Hätten sie ihre Abneigungen privat gehalten, wäre nichts passiert. Die Gedanken sind frei, die Worte nicht.

Der Ausruf "fire pon" ist im Reggae weit verbreitet und es werden viele Dinge "verbrannt": Korruption, Lüge, Tyrannei, Politiker, Hass, Polizeispitzel, der Papst, Rom und allen voran natürlich Babylon . Das ist eine Bezeichnung für das System, in dem wir leben, von Rastafaris auch Shitstem genannt. Weder der Papst - der ja auch nicht gerade homophil ist, für den aber noch nie jemand ein Auftrittsverbot gefordert hat – noch wir alle, die wir in diesem Babylon leben (oder zumindest am Rande davon) fühlen uns je angesprochen von diesen Verbrennungsflüchen.

Wie wörtlich dieses „fire pon“ zu nehmen ist, sei dahingestellt. Vom HipHop, der sich einer ähnlichen Metaphorik bedient und weitgehend genauso schwulenfeindlich ist wie Reggae , wissen wir, dass der Rapper, der seinen Schwanz mit einer Anakonda vergleicht, übertreibt. Und auch für Rapper hat meines Wissens noch niemand ein Auftrittsverbot gefordert.

Man legt sich nicht mit den Starken an, sondern mit den Schwachen. Aber lassen wir die künstlerische Freiheit, mit der wir sonst so oft operieren, den Hang, sich eher mit Schwachen als mit Starken anzulegen und die Frage wieweit Metaphern wörtlich zu nehmen sind, gerne beseite. Man kann da verschiedener Meinung sein und unterschiedliche Maßstäbe anlegen.

Weiterlesen im 2. Teil »


 
 



 

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