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Integration

„Verwunderlich, dass ihr euch wundert“

TEIL 2

Bülent Arslan : Das meine ich gar nicht. Es ist eher eine mentale Sache, ich erlebe das auch oft. Da werde ich dann gefragt: „In ihrem Heimatland dürfen doch auch keine Kirchen gebaut werden. Warum sollen dann hier Moscheen entstehen?“ Die Ausgrenzung ist in Deutschland geistig fest verankert – ihr gehört hier nicht hin, sondern in die Türkei. Das ist der Grundton.

Zuender : Schauen wir uns Migrations-Biografien an, die in den vergangenen Jahren als beispielhaft dargestellt wurden. Da kamen am Ende meist die besseren Deutschen heraus.

Bülent Arslan : Klar, das ist kein Widerspruch zu dem, was ich eben gesagt habe. Deswegen war die Debatte bis jetzt auch scheinheilig – auf beiden Seiten. Die deutsche Gesellschaft hat immer wieder gesagt: Wir wollen Integration, nicht Assimilation. Und die Türken hatten immer große Angst davor, dass doch Assimilation gemeint war.

Jetzt kommt Erdoğan und sagt das Gleiche – mit dem Ergebnis, dass die Empörung in Deutschland groß ist. Das heißt am Ende, dass in der Vergangenheit zwar politisch korrekt nach Integration gerufen wurde, dass in Wahrheit aber ein Höchstmaß an Anpassung gewünscht wurde.

Zuender : Was könnte das gemeinsame verbindende Ding sein? Meinetwegen sogar in Europa.

Bülent Arslan : Europa meine ich nicht, das kann nicht funktionieren. Aus meiner Sicht müsste das Deutschland sein. Und das, was uns verbindet, darf nichts akademisch Rationales sein. Die Grundrechte und die Verfassung sind schön und gut, taugen aber in der Praxis kaum. Wie viel Prozent der deutschen Bevölkerung wissen denn, was in der Verfassung steht? Von den Migranten ganz zu schweigen.

Es müsste einfacher sein, gefühlsbezogener. Ich sage, das kann nur Deutschland sein oder seine Symbole, von mir aus die Fahne. Das ist ein schwieriges Terrain, schon klar warum. Aber mehr Normalität im Umgang mit der Geschichte würde auch der deutschstämmigen Gesellschaft gut tun. Ich stelle mir das ein bisschen vor wie bei der Fußball-WM 2006. Das war kein Nationalismus, sondern ein weltoffener und sympathischer Umgang mit der nationalen Identität, der auch viele Migranten begeistert hat.

Zuender : Hat der türkische Ministerpräsident also das Richtige gesagt?

Bülent Arslan : Nein, hat er überhaupt nicht. Er hat großen Schaden angerichtet. Erdoğan hätte wissen müssen, welche Konsequenzen das in der deutschen Öffentlichkeit haben würde.

Zuender : Er hat vielleicht ein Bewusstsein geweckt.

Bülent Arslan : Kann schon sein, aber das war nicht seine Absicht. Wenn so ein Bewusstsein am Ende herauskäme, wäre das allerdings in Ordnung.

Die Fragen stellte Carsten Lißmann

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