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Pop

Die dritte Welle

TEIL 2

Deutschland hat eine sehr starke anti-feministische Tradition. Warum das so ist, weiß ich auch nicht. In den Fünfzigerjahren hatte man Panik vor einem Staat, der Familienleben und Kindererziehung reglementiert, deshalb hat man diese Dinge zur reinen Privatsache erklärt und den Frauen zugeschoben. Damals entstand auch ein sehr starker Muttermythos und das schreckliche Alleinverdienermodell, gestützt durch das Ehegattensplitting .

Wenn der Anti-Feminismus eine Marketingkampagne gewesen wäre, hätte sie ganze Arbeit geleistet. Mit Feminismus verbindet die Öffentlichkeit heute nur schlechte Attribute: unattraktiv, unsexy, verkrampft. So wird Frauen suggeriert, dass Feminismus sie unattraktiv mache. Und in unserer Gesellschaft ist es für Frauen, zumindest für heterosexuelle, scheinbar sehr wichtig, für das andere Geschlecht attraktiv zu sein. Auf der Klaviatur dieser Angst wird dann gespielt. Das finde ich traurig und frustrierend.

Früher fühlte ich mich von diesem Image auch abgeschreckt: Als Teenager wollte ich mich nicht als Feministin bezeichnen, obwohl ich schon immer so gedacht habe – vor allem dank meiner sehr feministisch denkenden Mutter.

Frauen/Musik

Ich weiß nicht, woran es liegt, dass Frauen seltener Musik machen oder in Bands spielen. Es ist ja nicht so, dass Frauen in der Musikszene nur diskriminiert würden. Trotzdem herrscht immer noch ein Klima, in dem Mädchen nicht in gleichen Maß wie Jungs ermutigt werden, selbst aktiv zu werden. Vielleicht gibt es auch zu wenige Vorbilder.

Als ich als Musikjournalistin gearbeitet habe, war ich hauptsächlich von Männern umgeben, die auch überwiegend über Männer geschrieben haben. Deshalb war es mir wichtig, über Frauen zu schreiben und sie ein bisschen stärker in den Vordergrund zu stellen. Manchmal wurde mir dann gesagt, das sei ausgrenzend oder ich würde zu programmatisch vorgehen. Aber wenn ich es nicht mache, wer macht es dann?

Ich mache das auch deswegen, weil ich mich über die mediale Darstellung von Frauen ärgere – oder besser ihre Nicht-Darstellung. Dieses Ungleichgewicht will ich mit meiner Arbeit ein wenig ausbalancieren.

Vorbilder

Zwar gibt es in der Geschichte und auf der ganzen Welt genug Frauen, die ich bewundere. Aber in diesem Moment in Deutschland oder Österreich fällt mir fast niemand ein – vor allem nicht aus meiner Generation. Während ich an meinem Buch gearbeitet habe, habe ich mich gefragt, wen ich hier gerne als feministische Spokesperson hätte. Viele Frauen, die ich cool finde, sind mir aus feministischer Sicht nicht radikal oder vehement genug. Sie sympathisieren mit feministischen Ideen, aber sie haben keine ausformulierte Theorie oder gehen zu wenig nach vorne.

Eine Ausnahme ist Peaches , die finde ich wirklich gut. Sie hat eine klare feministische Agenda und sie hat sich nicht vereinnahmen und kategorisieren lassen. Ebenso die Band Chicks on Speed . Oder auch Autorinnen wie Marlene Streeruwitz , die ist allerdings auch schon über fünfzig. Charlotte Roche dagegen finde ich süß und lustig, aber auch völlig untheoretisch. Immerhin ist sie eine der wenigen Frauen, die sich überhaupt öffentlich zum Feminismus bekannt haben.

Sonja Eismann (Hg.): Hot Topic. Popfeminismus heute. Ventil Verlag 2007, 14,90 EUR. Mehr von Sonja Eismann unter www.plastikmaedchen.net

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