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REISEN

Balkanminiaturen

Im Bus nach Belgrad, nach Tirana, durch die heiße Sonne. Staubige Straßen. Und immer wieder... die Menschen hier.

Harte Kerne

Saranda – Tirana : Es ist schön, neben dem Busfahrer zu sitzen. Man hat die ganze Glasfront, das ganze Leitplankenpanorama für sich, man hat das Kassettendeck und die neidvollen Blicke der anderen.

Der Busfahrer schenkte mir einen Apfel, einen faustdicken. Ich bedankte mich und biss hinein. Als das der Busfahrer hörte, drehte er den Kopf ruckartig rum und es weiteten sich seine Augen…

Er schrie auf, raufte sich den Schnurrbart und haute auf die Hupe. Auch sein Azubi schrie auf, der neben mir stand und dessen Hocker ich besetzte. Albanische Ach-Laute drangen von links und rechts auf mich ein, beide Männer fuchtelten durch die Luft. Und dann schrieen auch andere, die Fahrgäste der vorderen Reihen, vereinzelt wurden auch Stimmen aus den mittleren laut. Der Busfahrer rief seinem Handlanger etwas zu, worauf der in seinen Rucksack griff, ein Messer herausholte und nach meinem Apfel haschte, haschen wollte, aber ich gab ihn nicht frei. Er fuchtelte mit der Klinge umher und verbalisierte das Ganze zugleich, bis ich begriff: Ich sollte, ja ich musste den Apfel schälen und in kleine Stückchen schneiden, das Kerngehäuse auf jeden Fall müsse raus. Ich aß nicht comme il faut, wie mir aufging, ja wie ein Barbar, ein Schwein. Ich schüttelte lachend den Kopf und biss wieder zu. Wieder und wieder. Ich fand gefallen daran, so bequem, so aus dem Handgelenk zu provozieren. Die Fahrgäste der vordersten Reihen beugten sich vor oder über mich gar, jemand machte ein Foto. Ich sah mich um. Eine Frau schaute angeekelt weg.

Etwas Zeit verging. Die Schreie glitten langsam in ein Lachen über, das in ein kollektives Kichern abebbte. Aber das war nur die Ruhe vor dem Sturm.

Denn als ich mich dem Kerngehäuse genähert hatte, biss ich auch in dieses. Da platzte dem Busfahrer der Kragen. Erst schlug er aufs Lenkrad. Freihändig fahrend versuchte er dann, mir den Apfelstumpf zu entwenden, ihn aus dem Fenster zu werfen, wie er gestikulierte. Eine Pranke hatte er schon am Apfel. Ich klammerte mich an ihn. Es kam zu tumultuarischen Szenen. Wir rangelten. Ich gewann.

In der Schule aß ich alle Apfelstümpfe, erst nur von meinen engsten Freunden, später auch von Fremden. Manchmal hatte ich mehr als zehn in einer Pause. Die, die ich nicht mehr halten konnte, die herunterfielen, wickelte ich in Frischhaltefolie für später.

Ich schob mir den Apfel rein, ganz, mit Haus und Kern. Ich kaute geräuschvoll. Im Bus war nun völlige Stille. Sogar der Motor schwieg für Momente. Man hätte den Stiel fallen hören. Den warf ich am Ende mit großer Geste aus dem Fenster. Ich hätte auch ihn gern verspeist, fürchtete mich aber vor einem albanischen Mob.

Weiterlesen im 2. Teil »


 
 



 

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