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Anti-Fußball

Stilvolles Stören

Sonntagstext (4): "Lass uns gehen", sprach Ambrosius und nahm meine Hand in die seine. Wir drängten uns durch die entgeistert guckende Menschenmenge in Richtung des Zaunes, der den gemeinen Pöbel von dem grünen Rasen trennt.

Das Jucken trieb mich in den Wahnsinn. Es war heiß und das Wasser rann uns in Rinnsälen den Rücken hinunter. Die Fortuna lag, es lief wohl die 77. Spielminute, mit 0:3 hinten. Wir standen in der Südkurve, Block 13, ein Meer aus geschwungenen Fahnen verstellte uns zum Glück den Blick auf das Grauen unten auf dem Rasen. Ambrosius war ein Mann der fixen Ideen. Die Kräfte des Chaos durchzogen Ober- und Unterrang der Tribüne und affizierten die Zuschauer, in besonderem Maße wohl uns. Es lag eine Teufelei in der Luft. Dann die Hitze, die Langeweile. Ganz ehrlich, wir hatten keine andere Wahl.

Schon zu Beginn der zweiten Halbzeit gähnte ich ziemlich eindringlich in Ambros Richtung. Als  dann noch das 0:3 fiel musste etwas passieren. Ich begutachtete meinen Freund von der Seite her. Er war wirklich eine personifizierte Schrulle mit seinen feisten Bäckchen, der rot-weißen Pudelmütze und der dicken Tröte, welche er feste umklammert hielt und nur noch lustlos in fünf-, vielleicht sogar zehnminütigen Abständen betätigte. Der Krach war so ohrenbetäubend, dass selbst die Spieler auf dem Platz vor lauter Schreck den Ball verstolperten und sichtlich genervt in Richtung Fankurve starrten.

Ambrosius und ich hatten bereits Stadionverbot bei so ziemlich jedem relevanten Fußballklub im Umkreis von hundert Kilometern. Ich vermute, dieser Umstand trug auch dazu bei, dass wir letzten Endes bei der Fortuna gelandet sind. Eines ist nämlich mal sicher: Im Leben desjenigen, der sich freiwillig dieses indisponierte über den Ball treten elf rot-weißer menschgewordener Gurken Sonntag für Sonntag anschaut, muss einiges aus den Fugen geraten sein. Zu oft schon hatten wir leiden müssen. Diesmal trieben sie es auf die Spitze. Null zu Drei. Zu Hause gegen Wacker. Die waren jawohl nicht mehr ganz dicht.

Als Ambrosius schließlich in eben erwähnter 77. Minute sein Trikot auszog und anfing, auch die Hose entschlossen aufzuknöpfen und an seinem weinroten löchrigen Schlüpfer ungeduldig herum zu nesteln, mich dabei halb süffisant, halb lasziv angrinste, da verstand ich sofort und entledigte auch mich auf der Stelle sämtlicher Kleidungsstücke.

"Lass uns gehen", sprach Ambrosius salbungsvoll und nahm meine Hand in die seine. Wir drängten uns durch die entgeistert guckende Menschenmenge in Richtung des Zaunes, der den gemeinen Pöbel von dem grünen Rasen mit den Kurzhosen trennt, wobei Ambrosius Hodensack bei jedem Schritt euphorisch hin- und hertanzte. Einzig die Pudelmütze zierte noch seinen drallen Kopf, kein Fetzen Stoff schützte unsere käsehaften Leiber mehr vor den durchdringenden , von einer Mischung aus Angst und Abscheu erfüllten Blicken des uns umgebenden Fußballproletariats.
Wir bestiegen den rostigen Gitterzaun, wobei ich zwischenzeitlich kurz abrutschte und meine linke Potasche Bekanntschaft mit einer der pfeilspitzen Metallstangen machte, welche der Stadionarchitekt oben zum Schutze der Spieler vor Leuten wie uns befestigt hatte. Mit einem gekonnten Übersteiger erklomm ich die andere Seite und landete zeitgleich mit Ambrosius auf der roten, den nackten Füße übel mitspielenden Tartanbahn. Schon machte sich ein lautes Johlen breit auf den Rängen. Die Leute klatschten, wie Fortuna sie lange nicht hat klatschen hören. Für sie würden wir alles geben.

Mein Freund beugte sich vornüber und mit einem Satz landete ich auf seinen stämmigen Schultern, die mich mühelos in eine Höhe von Ein Meter und Achtzig katapultierten, wo mir ein Blick nach hinten verriet, dass der Abstand zwischen uns und den von nordwärts schnell herbeieilenden Sicherheitsleuten nur mehr knapp vierzig Meter betrug. Ich signalisierte Ambro durch einen leichten Tritt in die Milz, es sei nun Zeit, los zu galoppieren. Ambrosius schnaufte und ächzte, nahm jetzt aber an Fahrt zu und wieselte entschlossen in Richtung Rasen. Der Schiedsrichter hatte das Spiel längst unterbrochen, die Spieler bildeten eine Traube, ich glaube, sie freuten sich über die willkommene Pause und tauschten Mineralwasser und taktische Anweisungen aus. Ich versuchte, das letzte aus Ambrosius rauszuholen, wir mussten das Tor erreichen, bevor die Ordner uns eingeholt hatten, der Abstand reduzierte sich mittlerweile auf nur noch gut zehn Meter.

Ambrosius schwitzte literweise Wasser aus, mein nackter Hintern klatschte ihm bei jedem Schritt gegen den nassen Nacken. Ich brüllte aus Leibeskräften, der Hall in dem weiten Rund war unglaublich, die Fahnen wurden fleißig geschwungen, man schwang sie für uns, ich sah geballte Fäuste, den Leuten stockte der Atem, schon waren wir hinter der Mittellinie, gleich am Sechzehnmeter-Raum, wir durften sie einfach nicht enttäuschen, zu viele Niederlagen hatten sie bereits ertragen müssen. Ich hörte das Keuchen unserer Verfolger dicht hinter uns, der Torwart lauerte mit ausgebreiteten Armen an der Fünf-Meter-Marke darauf, unsere Bemühungen mit einem gezielten Hechtsprung zunichte zu machen, aber nichts sollte uns mehr aufhalten, soviel stand fest.

Die Leute auf der Sitzgeraden standen jetzt aufrecht, konnten es nicht mehr ertragen, zu sitzen, den Schrei auf den Lippen, wir drangen ein in den Sechzehner, ich machte mich bereit für den Absprung, suchte den nötigen Halt, schnell müsste es gehen, zu langsam waren die Ordner, zu unorganisiert und phlegmatisch, eine Abwehr fand einfach nicht statt, Stückwerk war sie. Der Torwart ahnte die Ecke, aber zu spät, schon stand ich mit beiden Füssen fest und aufrecht auf Ambrosius Schultern, fast rutschte ich ab und sprang mit letzter Kraft und unter lautem Getöse direkt an die Unterkante der Latte und von dort aus unhaltbar in den linken Winkel, Torwart und Ambrosius knallten schallend zusammen, die Sicherheitsleute fielen viel zu spät über uns her, der Pfosten und mit ihm das gesamte Tor brachen unter der Last in sich zusammen und wir alle lagen unter dem Netz begraben, jeder von uns mit diversen Blessuren versehen.

Alles schrie, das Stadion tobte, bengalische Lichter ließen die Südtribüne in rotem Glanz erstrahlen, der Stadionsprecher nannte den Torschützen und rief die Polizei und ich war auch noch viel zu sehr im Taumel, als man uns später erzählte, wir hätten wohl ziemlich gestört.

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