Rufmord
Am Pranger im globalen Dorf
TEIL 2
Einer der wenigen wirklich sinnvollen Online-Pranger ist das
Weblog Hollaback NYC
. „If you can’t slap’em, snap’em“ lautet der Schlachtruf von Hollaback, übersetzt in etwa: „Wenn du ihnen keine runterhauen kannst, schieß ein Foto von ihnen“. Gemeint sind die widerlichen Zeitgenossen, die sich in der U-Bahn einen runterholen oder andere Menschen auf sonstige Weise sexuell belästigen. Sie werden mit dem Handy abgeschossen. Die Schnappschüsse werden dann in das Blog hochgeladen und ausführlich kommentiert: Wer, wann, wo, was hat er gemacht?
Inspiriert wurde die Seite von der Geschichte der 15-jährigen New Yorkerin Thao Nguyen, Nachdem sie mit ihrem Handy einen Belästiger in der U-Bahn fotografierte und ihn damit überführte, kamen New Yorkerinnen auf die Idee, das Weblog einzurichten. Wer hier einmal in der
Hall of Shame
landet, wird sich danach hoffentlich zwei Mal überlegen, ob er jungen Frauen im Park zweideutige Angebote macht. Die Bilder werden vor allem, aber nicht nur von Frauen gemacht.
Im Jahr 2006 gab es für eine Weile auch einen
deutschsprachigen Ableger
nach New Yorker Vorbild, gegründet von der Züricher Studentin Sabine Roedinger. Nachdem die Webseite aber nach ersten Blogberichten vor allem von der Gegenseite dazu benutzt wurde, die Betreiberinnen zu
beschimpfen
, wurde sie wieder offline genommen. In Deutschland wäre so ein Dienst ohnehin illegal, weil die Persönlichkeitsrechte der fotografierten Männer dadurch verletzt würden.
Der Lexikon-Pranger
Auch Webseiten, die gar nicht in erster Linie zum Anprangern gedacht sind, lassen sich prima zu diesem Zweck umnutzen. So zum Beispiel die Online-Enzyklopädie Wikipedia. Besonders spektakulär ist zum Beispiel der Fall des ehemaligen Journalisten und Assistenten von Robert Kennedy John Seigenthaler. Der fühlte sich als unbescholtener Rentner, bis er eines Tages zufällig seinen Wikipedia-Eintrag fand. Unter anderem wurde darin behauptet, Seigenthaler sei in die Mordanschläge auf John F. Kennedy und dessen Bruder Robert verwickelt gewesen. Außerdem habe er zwischen 1971 und 1984 in der ehemaligen Sowjetunion gelebt.
Erst Monate nachdem Seigenthaler sich bei Wikipedia beschwerte, wurde der Artikel korrigiert. Seigenthaler, der sich den Rufmord nicht bieten lassen wollte, machte den Vorfall im US-Massenblatt USA Today publik. Er deutete auch auf ein Hauptproblem der Wikipedia hin: Niemand muss für die von ihm verfassten oder geänderten Einträge die Verantwortung übernehmen. Theoretisch kann dort jeder jeden anprangern (oder sogar verleumden), der ihm Mal die Vorfahrt genommen hat.
Nach dem Vorfall hat Jimmy Wales, einer der Gründer von Wikipedia, für die englischsprachige Version eine Regel eingeführt, nach der neue Artikel nur von angemeldeten Benutzern angelegt werden dürfen. Dadurch sollen insgesamt weniger Beiträge angelegt werden, die dann von der Wikipedia-Gemeinschaft besser überprüft werden können.
Der Suchmaschinen-Pranger
Leute-Suchmaschinen
sind gerade der letzte Schrei im Internet
. Die derzeit wohl bekannteste unter ihnen ist
Spock
. Der Dienst durchsucht soziale Netzwerke wie MySpace, Blogs, Zeitungsartikel und Fotoportale und bündelt die dort zu einer Person gefundenen Daten in einem einzigen Profil. Für aufgeregte Blogeinträge und Medienberichte hat Spock aber aus einem anderen Grund gesorgt: Im Gegensatz zu den anderen Webangeboten können dem Spock-Profil von allen Internetnutzern Schlagworte und Bilder zugeordnet werden – egal, ob es der betroffenen Person passt oder nicht. So ist das Profil des ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton zum Beispiel mit den Begriffen „Sex Scandal“ und „Amtsenthebungsverfahren“ verschlagwortet. Auch Britney Spears wird sich über den der Hinweis „Doesn’t always wear underwear“ sicher nicht freuen. Noch viel schlimmer kann es aber kommen, wenn das eigene Profil von anonymen Nutzern etwa mit den Worten „Kinderschänder“ oder „Mörder“ oder kompromittierenden Bildern versehen wird. Wie genau und ob man solche unliebsamen Informationen wieder entfernen lassen kann, hat Spock noch nicht bekannt gegeben.
Auch wichtig:
So sieht's aus
- Zur Fotostrecke der wichtigsten Online-Pranger
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