Wer den Ruf eines anderen zugrunde richten will, findet dazu im Netz mehr als genug Gelegenheit. Ob der Beschuldigte wirklich schuldig ist, ist eine andere Frage. Ein Überblick über die vielen Wege, Menschen im Netz anzuprangern.
Von Chris Köver
Wer im Mittelalter stahl, betrog oder Ehebruch beging, wurde auf dem Marktplatz an den Pranger gestellt. Dort stand er dann für ein paar Stunden und alle sahen, dass er ein Verbrecher war. Heute gehen wir mit Menschen, die gegen Gesetze und Regeln der Gesellschaft verstoßen, vermeintlich humaner um. Sie bekommen einen fairen Prozess und müssen dann ins Gefängnis oder eine Strafe zahlen. Das nennt man Rechtsstaat.
Weil es aber einige gibt, denen dieses System augenscheinlich nicht effizient genug ist, haben Pranger nach wie vor Konjunktur – sei es in Form von Klatsch und Tratsch, oder in der zeitgenössischen Version als Webseite oder Internetforum. Auf Seiten wie
Dontdatehimgirl.com
stehen die vermeintlichen Deliquenten dann nicht bloß ein paar Stunden lang am Schandpfahl, sondern manchmal für immer. Und das Publikum der öffentlichen Schande ist nicht mehr nur das eigene Dorf, sondern die gesamte Netzöffentlichkeit.
Besonders erstaunlich: Viele dieser Pranger werden von Behörden betrieben. Aber auch für private Feldzüge bietet das Netz genug Möglichkeiten. Dazu muss man mittlerweile nicht mal eine eigene Webseite anlegen können. Wer seinen Ex-Freund oder den schmierigen Typen bloßstellen will, der Frauen in der U-Bahn anmacht, muss lediglich ein Forum oder ein Blog benutzen können. Hier eine kurze Reise zu den größten Online-Prangern.
Der Keinen-Unterhalt-Zahler-Pranger
„Wir kämpfen gegen Kinderarmut und stellen sicher, dass Eltern, die von ihren Kindern getrennt leben, finanziell zu ihrem Unterhalt beitragen.“ So steht es auf der Webseite der britischen
Child Support Agency
. Der Agentur stehen dazu viele Mittel zur Verfügung: Lohnpfändung, Zwangsversteigerung, Entzug des Führerscheins, Gefängnis. Das ist auch gut so, denn keinen Unterhalt für sein Kind zu zahlen, ist eine Sauerei. Nach einem neuen
Gesetzesbeschluss
darf die Agentur jetzt aber noch einen Schritt weiter gehen – und eine Liste der schwarzen Schafe auf ihrer Webseite veröffentlichen. Über hundert allein erziehende Eltern wurden angeschrieben und gefragt, ob sie damit einverstanden sind, dass die Namen ihrer ehemaligen Partner veröffentlicht werden. Die Liste war dann im Sommer einen Monat lang online, wurde aber wieder aus dem Netz genommen. Nach zahlreichen
kritischen Artikeln
sind der Agentur wohl selbst Zweifel gekommen, ob diese Methode sinnvoll ist.
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Der Freier-Pranger
Die Polizei von Chicago hat schon im Jahr 2005 die abschreckende Kraft der Bloßstellung im Netz für sich
entdeckt
. Um die illegale Prostitution in der Stadt einzudämmen, richtete sie einen
Online-Pranger
für Freier ein. Wer seitdem bei einer Prostituierten erwischt und festgenommen wird, erscheint mit Foto, vollem Namen und Wohnanschrift
auf der Seite des Chicago Police Department
. Die Seite wird täglich aktualisiert, die Bilder bleiben dreißig Tage lang online.
Chicagos Bürgermeister Richard Daley droht: „Wenn Sie sich mit einer Prostituierten einlassen, werden Sie verhaftet und alle werden es erfahren: Ihre Frau, Ihre Kinder, die ganze Familie, Nachbarn und auch Ihr Chef." Ob die öffentliche Schande aber wirklich dazu führt, dass die illegale Prostitution zurückgeht, ist fraglich.
Der Vergewaltiger-Pädophilen-Exibitionisten-Pranger
Der wohl prominenteste Internet-Pranger steht auf der Seite des Justizministeriums der USA. Auf der
„National Sex Offenders Public Website“
sind all diejenigen US-Bewohner in einer öffentlichen Datenbank erfasst, die wegen einer Sexualstraftat verurteilt wurden, das heißt in der Regel: Vergewaltigung oder aber Missbrauch Minderjähriger. Wer dort nach registrierten Tätern in seiner Stadt sucht, erhält eine Liste von Namen. Zu jedem Namen sieht er das Foto des Täters, seine aktuelle Adresse, Details zur Verurteilung und eine Liste der physischen Merkmale.
Das sei nicht als Strafe für die Verurteilten gedacht, sondern lediglich zum Schutz der Bevölkerung, beteuerte das Ministerium, nachdem die Datenbank 2005 online ging und ein Sturm der Entrüstung losbrach. Die Rückfallquote soll bei Sexualstraftätern besonders hoch sein, daher müssten Bürger sich und ihre Kinder gegen Übergriffe schützen können. Dass damit die Persönlichkeitsrechte der Täter massiv verletzt werden und auch reuige Täter nie wieder ein normales Leben führen können, wird in Kauf genommen. Das Justizministerium weist zwar darauf hin, dass es illegal sei, jemanden wegen seines Eintrags zu diskriminieren oder zu belästigen. Einem zukünftigen Personalchef oder jemanden, der sich zur Selbstjustiz berufen fühlt, dürfte das allerdings herzlich egal sein. Manche
Politikerin Europa
möchten das Modell trotzdem importieren.