Kein anderer Kandidat in der US-Präsidentschaftswahl ist so online wie Barack Obama. In Social Networks jagt er die amerikanischen Jungwähler. Myspace, Facebook und Co. stehen ihm ganz gut, findet Frauke Schnoor
„I'm glad you like the Fugees“, schreibt die blonde Lucy aus New York, dazu ein Foto von ihr im trägerlosen Regenbogen-Bikini. „Obamaaaa, how are ya?“, grüßt etwas grell die großbusige Anais aus Ocean County. „dO Ur ThinG ...OBAMA“, feuert Warwan von der Bayside Highschool den demokratischen Präsidentschaftskandidaten an.
Lucy, Anais und Warwan sind Freunde von Barack Obama, zumindest auf Facebook, dem amerikanischen studiVZ-Vorreiter. In
Obamas Facebook-Profil
erfahren wir, dass er gern Baseball spielt und Kinder mag, dass er Miles Davis hört und Toni Morisson liest, dass sein Lieblingsfilm
Casablanca
ist und sein Lieblingszitat von Martin Luther King stammt. Die Facebook-Pinnwand des Präsidentschaftskanditaten ist voll. 14 028 Einträge von 14 028 potentiellen Wählern. Obama war der erste, der auf die Idee kam, das so genannte Web 2.0 für den Wahlkampf zu nutzen: Nun hat er ein Myspace- und ein Facebook-Profil,
BarackTV
auf dem Videoportal Youtube,
Fotos auf Flickr
und einen
Avatar
in der virtuellen Welt Second Life.
Auch wenn Obamas Profilbild etwas zu perfekt ist für das Studentennetzwerk Facebook, man dem Foto den teuren Fotografen und die sorgfältige Retusche deutlich ansieht, kauft man ihm den Hochschulabsolventen dennoch ab. Wie frisch von der Uni schaut er wachen Blickes nach links oben, ein aufgeschlossenes Lachen – Obama wirkt nicht fehl am Platz. Im Gegenteil verwundert es eher, dass in seinen Fotoalben nicht die typischen Partybilder auftauchen. Hätte man sich gut vortstellen können, einen angetrunkenen Obama im Piratenkostüm. Statt dessen sehen wir ihn, wie er Farmerhände schüttelt und Kinder unterhält, unter amerikanischen Durschnittsbürgern auf Wahlkampftour. Beinahe hätte man vergessen, dass es darum eigentlich geht.
Obama ist beliebt bei der Internetgemeinde. Auf Facebook hat er bald 132 000 Freunde, auf
Myspace über 160 000
. Sie heißen Shannon, Sure Shot, cam-one, Joey und Kimberly. Auch Gruppen wie
Brooklyn for Obama
und
republicans4obama
gehören zu seinem Freundeskreis.
republicans4obama
hat immerhin 965 Mitglieder. Obama selbst ist Mitglied in 16 Diskussionsgruppen, die sich seinen Namen tragen, „Obama is amazing!“ zum Beispiel.
Obamas Internet-Kampange steht ihm nicht nur gut, sie ist auch clever. Die Wählergruppe der 18 bis 29 Jährigen ist launisch, aber grade für demokratische Kandidaten im Zweifel wahlentscheidend. Statistiken zeigen, dass die jungen Erwachsen deutlich häufiger demokratisch wählen als die älteren Generationen. Aber dazu müssen sie auch wählen gehen. 2004 gingen nach einer massiven MTV -Kampange etwa 20 Millionen junge Amerikaner wählen. Das ist eine Wahlbeteiligung von etwas mehr als 50 Prozent in der Altersgruppe, was viel ist, in den USA. Ohne die Stimmen der Jugendlichen wäre der demokratische Kandidat
John Kerry
wohl weniger knapp an George Bush gescheitert.
Dass Obama sich deswegen in die Höhle des Jungwählers wagt, sich über Youtube mit ihm verbündeln will, ist wahlstrategisch nur logisch. Der demokratische Kandidat bastelt fleißig am Image des jungen Intellektuellen, der einfach frischer, wacher und gerechter ist als seine Konkurrenz. Der beide Seiten kennt: das schwarze und das weiße Amerika, das arme und das reiche, das junge und das alte. Bei Reden hält Obama das Mikrophon lässig wie
Dave Chappelle
und stimmt den leidenschaftlichen Pathos des Aufbruchs an, den man von John Kennedy kennt, aus der Zeit des Civil Rights Movement. Hoffnung wagen, lautet der Titel eines Buches, das Obama 2006 veröffentlicht hat, und das ist auch seine Nachricht an die junge Generation.
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Die packt er nun am Schopf und zwar da, wo die anderen sie nicht zu fassen kriegen. Auch
Hillary Clinton ist bei Facebook
, ebenso der republikanische Kandidat
John McCain
. Aber beide wirken in der virtuellen Studenten-WG wie Großeltern zu Besuch. Ein bisschen angespannt, den Pflaumenkuchen in der Tupperdose.
Auch wenn Myspace-Geschäftsführer Chris DeWolfe schon fantasiert, sein soziales Netzwerk würde den „ersten Gewinner der Präsidentschaftsvorwahlen 2008 bestimmen“, geht es bei dem Online-Aufmarsch letztlich nur um einige Prozentpunkte. 83 Prozent der amerikanischen Wähler sind älter als dreißig und an einem Großteil von ihnen wird der Internet-Spuk wohl vorbeiziehen.
Spannend an Barack Obamas Web 2.0-Präsenz sind darum vor allem die unzähligen Amateur-Userbilder und Kommentare, die in das zugeknöpfte Feld der Politik schwappen. Wie bunte Ameisen krabbeln die Nutzer über seine Webseiten und hinterlassen ihre Spuren auf dem sauberen Profil des Präsidentsschaftskandidaten. Je länger man sich Obamas Seite anschaut umso klarer wird: Eigentlich geht es hier garnicht mehr um Obama. Das Social Network hat die politische Propaganda verspeist.