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Peru

Die Wahl der Qual

Nur zufällig kam Zuender-Autorin Kati Krause am Wochenende an einer riesigen Menschenschlange vorbei. Dort standen ausgewanderte Peruaner, die in Barcelona zur Wahl gingen. In der Schlange stritten sie darüber, welcher der Kandidaten der am wenigsten korrupte ist

„Politikverdrossenheit“ ist in Peru keine Ausrede. Sogar im Ausland lebende Peruaner sind verpflichtet, einen Stimmzettel abzugeben – sonst müssen sie 35 Euro Strafe zahlen. Und so bildeten sich am Sonntag in vielen spanischen Städten lange Schlangen vor den Wahllokalen, wo Peruaner den Nachfolger des Präsidenten Alejandro Toledo wählten.

In Barcelona war die Stimmung leicht gereizt: Etwa 16.000 Peruaner sind in der Provinzhauptstadt gemeldet. Die Schlange, die sie bildeten, wandt sich zweireihig um Häuserblocks und über Straßenkreuzungen. „Drei Stunden stehen wir schon hier und haben erst die Hälfte hinter uns“ schimpft Gloria, 53. Sie trägt trotz der Frühlingswärme einen langen Mantel, bis zum Hals zugeknöpft. „Weil es zu viel Geld kostet, einen weiteren Tisch da hinzustellen!“ „Es ist wirklich schlecht organisiert“ meint Alipio, der hinter Gloria ansteht.

„Das ist schon ein gutes Beispiel für diese Regierung. Bis in die Konsulate sind sie korrupt, und später können sie nicht einmal genügend Wahlurnen aufstellen“, fügt Gloria hinzu. „Jetzt übertreiben Sie aber“, sagt Isabel, die mit zwei Freundinnen vor Gloria in der Schlange steht. „Aber die Politiker sind wirklich Diebe. Toledo raubt uns alle aus, und Alan García ist einfach schamlos.“ Alipio kreischt auf. „Alan García und schamlos? Fujimori ist der Dieb!“ „Fujimori war der beste von allen!“ keift Gloria zurück. Alipio schiebt die Unterlippe vor. „Pass auf, sonst wählen wir dich aus der Schlange!“ Seine Freunde lachen.

In der Schlange vor dem Wahlbüro in Barcelona bekommt man einen Eindruck von der Erfahrung der Peruaner mit Politik und Demokratie. In den letzten Umfragen lagen stetig drei Kandidaten vorne, Ollanta Humala von der linksnationalistischen „Einheit für Peru“ (UPP), Lourdes Flores von der rechtsmitte-Wahlvereinigung „Nationale Einheit“ (UN) und Alan García, Vorsitzender der „Amerikanischen Revolutionären Volksallianz“ (APRA) und Präsident von 1985 bis 1990. Es wurde erwartet, dass Humala die Wahl gewinnen würde, aber da ein Kandidat die Hälfte der Stimmen braucht, um Präsident zu werden, sind Stichwahlen fast unvermeidlich.

Perus ehemalige Staatspräsidenten sind umstrittene Figuren. García ist berüchtigt für seine katastrophale Wirtschaftspolitik, mit der er dem Land in den 80er Jahren sehr schadete, und die Gewalt, die unter seiner Regierung ausbrach. 1992 beantragte er Asyl in Kolumbien und kehrte erst 2001 nach Peru zurück, wo er trotz Anklagen wegen seiner angeblichen Verantwortung für Attentate und unrechtmäßiger Bereicherung bei den Präsidentschaftswahlen antritt.

Fujimori, sein Nachfolger, erfreute sich anfangs zwar großer Beliebtheit und Wirtschaftswachstums, musste jedoch im Jahre 2000 ebenso wegen einer Korruptionsaffäre zurücktreten und ins Ausland flüchten. Ihm wurden Wahlbetrug und Menschenrechtsverletzungen während seiner Präsidentschaft vorgeworfen. Daher wurde er bis vor kurzem mit internationalem Haftbefehl gesucht. Seit kurzem sitzt er in chilenischer Auslieferungshaft.

„In Peru sind alle Politiker Verbrecher. Es ist auch schon egal, wen man wählt“, sagt Alipio, mit den Schultern zuckend. „Aber wie kannst du so schnell vergessen, was García getan hat? Wie könnt ihr nur diesen Dieb wählen? Wie können die Leute so schnell vergessen?“ fragt Isabel, Verzweiflung in ihrer Stimme. Doch auch sie stimmt mit Alipio überein. „Die Menschen in Peru haben die Unmoral und Korruption einfach akzeptiert, und die Kinder, die die schlechten Beispiele jeden Tag durch die Medien mitbekommen, finden es einfach normal und lachen darüber. Alle Regierungen sind gleich: Sie stehlen und stehlen und tun nichts Gutes.“

„Señora, reden Sie doch bitte nicht über etwas, von dem Sie keine Ahnung haben“, fällt Gloria ihr ins Wort. „Fujimori verbesserte die Infrastruktur, die Ernährung, er brachte neue Technologien ins Land und baute die Schulen wieder auf.“ „Wie bitte?!“ ruft Alipio. „Unter Fujimori brauchte man eine Schule nur anzupusten und sie fiel in sich zusammen! Peru war ein reiches Land, und Fujimori hat alles gestohlen.“ Gloria schnaubt. „Und Alan hat das nicht getan? Wie auch immer, unter all den schlechten Politikern sind Ollanta und Lourdes immer noch die beste Wahl.“ Ein Mann Mitte dreißig, der sich mit seiner Begleiterin in Alipios Gruppe gedrängt hat, schnaubt. „Diese Fujimoristas müssen immer schlecht über die Anderen reden. Aber könnt ihr nicht mal was Schönes über unser Land sagen? Korruption gibt’s doch schließlich überall!“

Die Frage drängt sich auf, wie es denn sein kann, dass es keine Alternative zu diebischen Politikern gibt. Alipio hat die Antwort parat. „Die mächtigen Politiker besuchen die Dörfer und Bauern und schenken jeder Familie einen Sack Reis. Zack, Stimme gekauft, Wahl gewonnen.“ Einen leeren Stimmzettel abgeben will trotzdem keiner. „Das bringt doch überhaupt nichts“ meint Isabel. „Dafür brauch ich nicht fünf Stunden hier herumzustehen.“


 
 



 

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