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Film

Von Colorado nach Schmöckwitz

Sie nannten ihn den Johnny Cash des Kommunismus. Dean Reed sang für Allende und Arafat und gegen den Imperialismus. Die Geschichte eines marxistischen Amerikaners.

Eine Mischung aus Che Guevara, Roy Black und Elvis Presley – so präsentiert das DDR-Label Amiga im Jahr 1973 seinen neuen Star Dean Reed. Auf der Vorderseite der Schallplatte posiert er als schmucker Cowboy vor einem Wasserfall, die Rückseite soll belegen, an welcher Front Reed die Gitarre schwingt: „Die Kunst, das Lied - sie müssen stets Waffe sein.“

Dean Reed, Sänger, Schauspieler, Regisseur und Revolutionär, tourte jahrelang als bekennender Marxist um die Welt, bevor ihm 1972 ein Coup gelang, den selbst die DDR-Führung nicht besser hätte planen können: Mitten im Kalten Krieg wechselte der US-Bürger Reed die Seiten und zog in die DDR. „Das Leben von Dean Reed ist eigentlich schon ein Film“, sagt Leopold Grün über den Protagonisten seines Dokumentarfilms Der rote Elvis .

Eigentlich hatte der hübsche Junge mit der Gitarre Ende der fünfziger Jahre die US-Charts stürmen sollen. Als seine ersten Singles floppten, beschloss seine damalige Plattenfirma, Reed in Südamerika groß rauszubringen. Mit schmelzender Stimme und Hüftschwung brachte er dort seine weiblichen Fans zur Hysterie; als Elvis zum Anfassen füllte er in Chile und Argentinien bald ganze Fußballstadien. Gleichzeitig begann Anfang der sechziger Jahre in Südamerika sein politisches Engagement. Die Armut und die krassen sozialen Gegensätze, die er dort erlebte, machten aus ihm einen Kommunisten, der offen gegen die imperialistische Politik seines Heimatlandes protestierte: „Es ist ganz klar, dass die privilegierten Gruppen nur an der Macht bleiben können, so lange sie die militärische, ökonomische und politische Hilfe aus den USA haben, gegen den Willen des Volkes.“ Er zog nach Argentinien, reiste als Delegierter zum Weltfriedenskongress nach Helsinki und wurde beim amerikanischen Geheimdienst aktenkundig, als er sich mit dem russischen Torwart Lew Jaschin verbrüderte. Er tourte als erster Amerikaner durch die UdSSR, unterstütze den sozialistischen Kandidaten Salvador Allende bei seinem Wahlkampf in Chile und protestierte immer wieder gegen den Vietnamkrieg. Höhepunkt seiner Proteste war eine symbolträchtige Aktion in Chile: 1970 marschierte Reed hier mit einem Wassereimer und einer amerikanischen Flagge vor die US-Botschaft, um die Flagge „vom Blut vietnamesischer Zivilisten sauber zu waschen“, wie er sagte.

Sein politischer Einsatz war ebenso engagiert wie unspezifisch. „Dean Reed hat sich immer für Befreiungsbewegungen interessiert“, sagt Leopold Grün. Für welche, das schien ihm weniger wichtig gewesen zu sein. Reed freundete sich mit Jassir Arafat an und posierte mit Gitarre in der einen, Maschinengewehr in der anderen Hand für den palästinensischen Befreiungskampf. Gleichzeitig hätte er ebenso die Israelis unterstützt, sagt Leopold Grün. „Er hat auch überall Meine jiddische Mamme gesungen.“

Der Dokumentarfilm, den Grün über Dean Reed gedreht hat, setzt aus Originalaufnahmen und Interviews ein widersprüchliches Bild seiner Hauptfigur zusammen. Politisch engagiert und gleichzeitig unendlich naiv, ebenso charmant wie erfolgssüchtig lebte der Sänger seinen persönlichen Weltverbesserungstrip. Einige seiner Auftritte haben heute höchstens Unterhaltungswert, so zum Beispiel sein Auftritt zu Ross im Palast der Republik . Andererseits lässt sich allein an der Anzahl seiner Verhaftungen ablesen, dass Reeds marxistische Ambitionen mehr waren als ein Lippenbekenntnis. So reiste er 1971 nach Argentinien, um mit einer illegalen Pressekonferenz gegen die Militärdiktatur zu protestieren – und landete für drei Wochen im Gefängnis.

Sein Umzug in die DDR will dagegen nicht ganz ins Bild eines politisch aufgeklärten Freiheitskämpfers passen. Ob aus politischer Überzeugung oder aus Opportunismus – Dean Reed ließ sich für die Ziele der DDR-Führung instrumentalisieren. Er reckte die Faust beim „Tag der Solidarität“ wie beim „Fest der Jugend“, tourte durch die Kulturpaläste von Chemnitz und Bitterfeld und arbeitete als Informeller Mitarbeiter für die Staatssicherheit. Als Weltstar genoss er Privilegien wie unbeschränkte Reisefreiheit und ein Haus mit Seeblick. Als im Jahr 1976 der Liedermacher Wolf Biermann ausgebürgert wurde und dutzende DDR-Künstler einen offenen Protestbrief an die Regierung unterzeichneten, hielt sich Reed bedeckt. Während viele der Dissidenten ihre Unterschrift mit Ausweisungen, Gefängnis und Berufsverbot bezahlten, sang der rote Elvis mit ungebrochener Fröhlichkeit von Freiheit und sozialistischer Brüderlichkeit. „Er war süchtig nach Anerkennung und ist so in ein Dickicht von politischer Benutzbarkeit geraten“, sagt Leopold Grün über Reeds Zeit im Osten. „Er hat versucht, mit allen politischen Größen Freund zu sein. Dabei hat er verkannt, dass diese Leute keine wirklichen Freunde sind.“

Erst in den Achtzigern beginnt der Stern von Dean Reed im Osten zu sinken. Sein Publikum wird kleiner, und Reeds sozialistische Ideale können dem DDR-Alltag nicht länger standhalten. Weil der real existierende Sozialismus zum Großteil aus Überwachung und Freiheitsbeschränkungen besteht, beschimpft Reed die DDR als faschistoiden Staat, den er „bis oben hin satt“ habe. Gleichzeitig versucht er erfolglos, eine neue Karriere in den USA zu starten. Nachdem er bei einem Interview im US-Fernsehen den Bau der Mauer verteidigt, verfolgen ihn Hassbriefe empörter Amerikaner bis nach Ost-Berlin. 1986 wird Dean Reed mit aufgeschnittenen Pulsadern aus dem Zeuthener See gezogen. Glaubt man den Legenden, waren amerikanische, sowjetische und ostdeutsche Geheimdienste in seinen Tod verwickelt. Die wahrscheinlichere Version ist ein vertuschter Selbstmord. Öffentlich wurde Reeds Tod als „tragischer Unglücksfall“ dargestellt; ein offizieller Freitod des bekehrten Cowboys hätte nur zu peinlichen Fragen geführt. Leopold Grün setzt in seinem Film nicht auf die Verschwörungstheorien: „Für mich war sein Tod ein ganz privates Drama.“

Das Verhältnis der USA zu Dean Reed blieb stets gespalten. Der „Johnny Cash of Communism“ wurde belächelt, angefeindet oder schlicht überhört. Da er in seinem Heimatland kaum bekannt war, verhallte seine oft berechtigte Kritik am amerikanischen Imperialismus ohne Folgen. Inzwischen ist der Schauspieler Tom Hanks auf den roten Elvis aufmerksam geworden; er recherchiert seit mehreren Jahren, befragte unter anderem Egon Krenz und arbeitet an einem Spielfilm über Dean Reed. Leopold Grün freut das: „Ich glaube, dass es ein vitales Interesse der Amerikaner sein muss, sich ihrer Abtrünnigen zu besinnen.“

Auch wichtig:

Heute, 1988 - Drei, die es wissen müssen, erzählen von Sex, Drogen und Musik in der DDR

Das andere Deutschland - Der Zuender-Schwerpunkt zur DDR

Spinner, Idealist oder beides? - Über Dean Reed wird hier im Forum diskutiert

Nach Hause - Zuender. Das Netzmagazin


 
 



 

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