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Estland

Zwei Welten

In der estnischen Hauptstadt Talinn schlugen russische Jugendliche die Innenstadt zu Klump. Wer sind sie und was haben sie eigentlich für ein Problem? Zuender sprach mit Kadri Lühiste, die dort lebt. Ein Interview.


Wie ist die Stimmung in Talinn zurzeit?

Im Moment ist es sehr friedlich. Einige Leute befürchten aber, dass es um den 9. Mai herum wieder Krawalle geben wird. Die Russen feiern an diesem Tag den Sieg über die Faschisten im Zweiten Weltkrieg. Für die Esten markiert er dagegen den Beginn der russischen Besatzung. Da prallen zwei unterschiedliche Geschichtsbilder aufeinander.

Ist im Moment alles so wie immer?

Fast. Es gibt nur kleinere Beeinträchtigungen. In den vergangenen Tagen konnte man keinen Alkohol kaufen. Die Regierung hat den Verkauf verboten, um die Situation zu entschärfen. Bei den Ausschreitungen vergangene Woche waren anscheinend viele der Randalierer betrunken. Seit gestern verkaufen die Läden wieder Alkohol, aber nur bis zwei Uhr nachmittags. Anfang der Woche saß ich außerdem auf dem Weg zur Arbeit eine halbe Stunde in der Straßenbahn fest, weil protestierende Russen den Verkehr blockierten. Sonst ist alles beim Alten.

Hast du etwas von den Krawallen mitbekommen?

Ich selbst war zu der Zeit im Urlaub. Als ich Freitagabend nach Talinn zurückkam, habe ich die zerbrochenen Scheiben gesehen. Ein Freund von mir lebt in der Innenstadt, ihm haben sie ein Fenster eingeworfen. Er hat sich in der Wohnung versteckt und gewartet, bis es vorbei war.

Sprichst du mit deinen Freunden oder Kollegen über die Krawalle?


Ja, die ganze Zeit. Bei unseren morgendlichen Kaffeepausen ging es in der vergangenen Woche eigentlich immer um das Monument, die estnische Botschaft oder etwas anderen, das mit dem Thema in Verbindung steht.

Wie ist denn ihre Meinung dazu, dass das sowjetische Ehrenmal abgebaut wurde?

Die Mehrheit findet, dass die Regierung richtig gehandelt hat. Einige glauben, dass der Zeitpunkt schlecht gewählt war. Das Monument so kurz vor dem 9. Mai zu abzubauen, war keine gute Idee.

Worum geht es bei den Krawallen deiner Meinung nach wirklich?

Ich glaube, dass die jungen Russen politisch benutzt werden. Einige Gruppen in Estland, die enge Verbindungen zur russischen Regierung haben, profitieren davon, dass es einen großen Widerstand gegen die Verlegung des Monuments gibt. Die Krawalle waren auf der ganzen Welt in der Presse. Diejenigen, für die dieses Monument wirklich noch etwas bedeutet, die emotional etwas damit verbinden, sind die älteren Russen. Die waren aber bei den Protesten gar nicht dabei.

Es geht also gar nicht um das Monument?


Ich glaube, dass das eher aufgestaute Frustration ist. Das Monument war nur ein Ventil, um sie raus zu lassen. Es hätte auch ein anderer Anlass sein können.

Und woher kommt die Frustration?


Die Arbeitslosenrate ist unter Russen doppelt so hoch wie unter Esten. Aber die russische Minderheit in Estland ist keine homogene Gruppe. Es gibt auch viele reiche russische Geschäftsleute. Man kann also nicht sagen, dass die Russen generell schlechter dran wären. Ich glaube, es liegt eher an der veränderten Situation seit dem Systemwandel. Russen sind jetzt – in einem unabhängigen estnischen Staat – in einer Minderheitenposition. Und einige fühlen sich als Bürger zweiter Klasse.

Werden sie denn auch so behandelt?

Ich hoffe, dass ich sie nicht anders behandele. Aber einige meiner Freunde und Kollege geben offen zu, dass sie Russen nicht mögen. Viele sagen: Wenn es ihnen hier nicht gefällt, wenn sie sich nicht anpassen wollen, sollen sie eben „nach Hause“ gehen. Ich glaube, dass sie hier zu Hause sind und dass wir lernen müssen, zusammen zu leben.

Wie ist denn das Verhältnis zwischen jungen Leuten? Sind in deinem Freundeskreis Russen?


Nein. Zwei meiner Freunde sind mit Russen zusammen, aber das kommt eher selten vor.
Russen und Esten leben hier in zwei getrennten Gesellschaften. Das liegt vor allem am Schulsystem: Russen gehen von der ersten Klasse an auf eigene Schulen, manchmal schon vom Kindergarten an. Sie haben Estnisch als Schulfach, aber sonst wird dort nur auf Russisch unterrichtet. Die Lehrer sind alt und nicht gut integriert, viele von ihnen sprechen selbst nur schlecht Estnisch. Das trägt zum Problem bei.

Wie konnten deine Freunde dann ihre russischen Freunde überhaupt kennen lernen?

An der Universität. Dort mischt es sich dann wieder etwas. In meinem Kurs an der Universität von Tartu waren zum Beispiel von zwanzig Leuten zwei Russen.

Wieso sind die Schulen denn getrennt?

Die russische Minderheit in Estland will das so. Dabei verursacht es viele Probleme. Junge Russen haben es später viel schwerer auf dem Arbeitsmarkt. Auch in die Universität zu kommen ist für sie schwerer.

Auch wichtig:

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