Ein neuer Dokumentarfilm zeigt die Punkszene von Peking. Zuender sprach mit der Berliner Filmemacherin Susanne Messmer.
Ein Interview von Sonja Eismann
"Wenn ich mich, so wie ich jetzt aussehe, in den Bus setzen würde, würden sich die Leute von mir weg setzen", sagt Bian, der Sänger der Pekinger Band
Joyside
. Mit seinem kunstvoll verwuschelten Haar, dem rosa-schwarzen Hemd und der riesigen, rot umrandeten Sonnenbrille sieht er aus wie ein harmloser junger Mann. In Deutschland würde man mit so einem gerne durch die Clubs streifen. Im heutigen China ist sein Outfit dagegen ein schreiender Affront.
Bian ist einer der Protagonisten des Dokumentarfilms
Beijing Bubbles. Punk and Rock in China’s Capital
. Die deutsche Journalistin und ehemalige taz-Redakteurin Susanne Messmer und der Labelbetreiber George Lindt haben ihn und andere Bands für ihr Do-it-yourself-Filmprojekt begleitet. Diese Querschläger der chinesischen Erfolgsgesellschaft, die in Bands wie
Hang on the Box
oder eben
Joyside
spielen, sehen nicht so aus, wie man sich bei uns Bilderbuchpunks vorstellt. Aber durch den Film wird klar, wie nah sie an den ursprünglichen Vorbildern sind: Ihre politische Botschaft ist die Politikverweigerung, die nicht getroffene Aussage. Sie kommen aus gebildeten Familien und können nur deswegen überhaupt wissen, dass sie sich ausklinken wollen. Erfolgsverweigerung als Protest, Gammeln als Lifestyle.
Regisseurin Susanne Messmer spricht über über dieses "andere China"
.
Was interessierte dich zuerst: China oder Punk?
Zuerst China. Ich habe bei der
taz
viel über Filme geschrieben und merkte, dass viele tolle Filme aus China kommen und von einem China berichten, das in den Medien überhaupt nicht vorkommt. Man liest ja inzwischen alle zwei Wochen einen Aufmacher über das neue Wirtschaftsboomland China. Dass es aber auch ein ganz anderes China geben muss, lag auf der Hand. Das wollten wir sehen. Bei der ersten Reise lernten wir gleich
Hang On The Box
kennen, die Mädchenband, die auch im Film vorkommt. Die haben uns sofort überzeugt. Da war klar, wir machen selbst einen Film. Auch wenn wir in dem Metier ziemliche Quereinsteiger sind.
Im Film sprechen alle Englisch. Ist das die Regel?
Englisch lernen Chinesen schon in der Schule, aber auf eine total altmodische Art, die ihnen im Alltag kaum helfen würde. Die Bands sprechen alle recht gut, weil sie sich in einer internationalen Szene bewegen. Im Augenblick gibt es in Peking zum Beispiel einen Club, das D22, der von einem Amerikaner betrieben wird. Er lässt die Bands vormittags dort proben, alle spielen dort.
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Erschöpft sich der Widerstand der Szene schon im bloßen Anders-Sein, oder gibt es da auch Utopien? Konsumkritik, Veganismus, Anti-Sexismus?
Ist alles vorhanden. Die Schlagzeugerin von
Hang On The Box
ist jetzt Buddhistin geworden. Sie ist auch Veganerin. China besteht ja aus unglaublich vielen kulturellen Minderheiten, alles ist sehr heterogen. Von außen nimmt man das gar nicht so war.
Zum Thema Sexismus ist erst mal zu sagen, dass China das ostasiatische Land mit der größten Geschlechtergerechtigkeit ist. Niemand macht hier Frauen auf der Straße an, alle Frauen arbeiten und sind total selbstbewusst. Das liegt daran, dass der Konfuzianismus hier nicht mehr so eine große Rolle spielt und dadurch die patriarchalischen Vorstellungen zurückgedrängt wurden. Da hat Mao mal was Nettes unternommen. Trotzdem werden Frauen wie
Hang On The Box
, die auf einer Bühne stehen und schreien, schief angeguckt. Im Film erzählen sie, sie hätten früher auf die Bühne gepinkelt, machten das heute aber lieber nicht mehr. Das war einfach zu radikal – selbst für die Punkszene.
Gibt es dort Fanzines und eigene Plattenläden?
Wir haben in Peking einen Second-Hand-Plattenladen gefunden, der in einem zwei mal zwei Meter großen Raum untergebracht ist. Da kann man sich reinsetzen und sagen: Ich möchte jetzt den chinesischen Bob Dylan hören. Und dann holen sie dir tatsächlich einen raus. Es gibt auch ein relativ unabhängiges Rockmagazin, in dem über viele Bands aus dem Film geschrieben wird. Aber selbst in einer Millionenstadt wie Peking ist die Szene immer noch winzig, und außerhalb Pekings findet man so gut wie nichts. In Shanghai haben wir richtiggehend gesucht, da gab es aber höchstens Cocktailbars, in denen DJs auflegten.
Beijing Bubbles. Punk And Rock In China's Capital (China/Deutschland), seit 19.04. im Kino