Die Dresdener Band Polarkreis 18 macht keinen Deutschpop. Von der Musikpresse wird sie trotzdem geliebt. Wieso, das hat André Hennig versucht im Interview herauszufinden.
Polarkreis 18
aus Dresden machen keinen Deutschpop. Trotzdem wurde ihnen anlässlich ihres kürzlich erschienenen Debüts überschwängliche Aufmerksamkeit zuteil – auch über die einschlägige Musikpresse hinaus. Als Referenz für den sphärischen Popsound der Band werden
Sigur Rós
oder auch
Blur
genannt. Gleichzeitig herrscht Einigkeit darüber, dass die fünf Jungs von der Oberelbe vor allem nach sich selbst klingen. Und wie das nächste große Ding. Zuender hat Bernhard Wenzel (Keyboard, Elektronik) und Philipp Makolies (Gitarre) von Polarkreis 18 vor ihrer ersten Deutschlandtour getroffen.
Euer Debüt-Album ist seit vier Wochen auf dem Markt und wurde schon im Vorfeld mit wahren Lobeshymnen bedacht. Jetzt startet eure erste eigene Tour. Fühlt ihr euch unter Druck?
Bernhard Wenzel: Natürlich sind wir gespannt, wie viele Leute nach dem Medienrummel tatsächlich zu unseren Konzerten kommen. In der Regel gilt: Egal wie viel geschrieben wird, zur ersten Tour kommen bestimmt nicht mehr als Hundert Gäste pro Konzert. Das muss erst mal anlaufen.
Philipp Makolies: Wir selbst haben von dem Rummel gar nicht so viel mitbekommen. Erst neulich habe ich uns mal gegoogelt und bin dabei auf die ganzen Artikel gestoßen.
Motor
, euer Label, bezeichnet euch als eine Art Gesamtkunstwerk. Ihr haltet alle Fäden in der Hand, macht von der Musik bis zur Grafik eurer Alben alles selbst. Nur die Song-Texte scheinen euch nicht so wichtig zu sein. Wieso?
P.M.: Das Gesamtkunstwerk ist in erster Linie ästhetisch, also musikalisch und optisch. Dass die Texte bei uns eher im Hintergrund stehen liegt daran, dass unser Sänger Felix Räuber vor ein paar Jahren einen sehr speziellen Gesangsstil entwickelt hat...
Er singt in einer Art hohem Falsett.
P.M.: Von da an betrachteten wir seine Stimme rein klangästhetisch, wie ein weiteres Instrument. Diesen Ansatz haben wir eine Weile beibehalten. Mittlerweile versuchen wir aber auch verstärkt, Texte zu schreiben.
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B.W.: Dass die Texte bei uns nicht so wichtig sind, liegt auch daran, dass wir aus der elektronischen Ecke kommen. Da wird Musik vor allem am Computer gemacht und eher auf Klänge und Melodien als auf Texte Wert gelegt. Die Texte auf unserem Album sind eher Wortgruppen, die aneinander passen und ein bestimmtes Thema besprechen. Der Inhalt ist nicht so wichtig.
Wie ist Felix Räuber darauf gekommen, so zu singen?
B.W.: Das liegt wahrscheinlich an den Bands, die wir vor ein paar Jahren gehört haben –
Boards of Canada
zum Beispiel. Das waren Vorbilder, die uns anfangs stark beeinflusst und von denen wir uns erst nach und nach wegbewegt haben.
P.M.: Felix hat einfach ausprobiert so zu singen und gemerkt, dass er es kann. Er hätte natürlich auch anders singen können, damit wir weniger nach anderen Bands klingen. Aber wozu? Schließlich ist das ja eine Gabe, die man nutzen sollte.
Als Referenz für eure Musik wird in der Presse gern die isländische Band
Sigur Rós
genannt. Waren sie ein Vorbild für euch?
B.W.: In der Vergangenheit sicher. Aber die Phase, in der wir intensiv
Sigur Rós
gehört haben, ist auch schon einige Jahre her. Mittlerweile hören wir eine größere Bandbreite von Musik, vor allem elektronische Sachen wie
Aphex Twin
oder
The Notwist
.
Man hat den Eindruck, eure deutsch singenden Kollegen sind dann erfolgreich, wenn sie verbal mit einer bestimmten Gefühligkeit dienen können. Lasst ihr euch davon in irgendeiner Weise beeinflussen?
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P.M.: Wir achten nicht darauf, was in Deutschland gerade "in" ist. Wir analysieren eher die internationalen Popgrößen.
B.W.: Natürlich hat man in Deutschland derzeit bessere Karten, wenn man auf Deutsch singt. Aber dann ist es mit dem internationalen Weg ziemlich schnell zu Ende. Es ist zwar unwahrscheinlich, dass wir mal große internationale Stars werden, aber mit den englischen Texten haben wir noch eher die Möglichkeit, auch im Ausland aufzutreten.
Ihr scheint sehr perfektionistisch zu sein und vor allem eurer persönlichen künstlerischen Vision zu folgen. Macht ihr euch ab und zu auch Gedanken über die Vermarktbarkeit eurer Musik? Oder anders: Denkt ihr beim Schreiben auch an den Erfolg?
B.W.: Wir sind zwar extreme Frickler und arbeiten sehr lange an unseren Stücken. Wir mögen aber auch kommerzielle Popmusik. Und wir haben sicher nichts dagegen, wenn unsere Musik kommerziell erfolgreich ist.
Ihr spielt im Mai in Brighton beim Great Escape Festival. Habt ihr internationale Ambitionen?