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Le band c’est moi
Demokratie ist super. In Popbands aber funktioniert sie selten. So mancher singende Friedenaktivist ist im Proberaum Militärdiktator
Von Sebastian Peters
Der Demokratie ging es schon besser. Als eine repräsentative Gruppe von Bundesbürgern vor wenigen Tagen danach befragt wird, wie zufrieden sie mit unserem System sei, da antworten nur 49 Prozent, dass sie Demokratie super fänden. Der Rest träumt heimlich von mehr Autorität für wenige oder von wenig Autorität für alle.
Laut sagen darfst du so etwas nicht. Es sei denn, du bist Popmusiker, und die Gesellschaft, die du beherrschen willst, ist nur der Mikrokosmos deiner Band. Thom Yorke zum Beispiel: Dem Sänger der Band
Radiohead
kann man keinen Mangel an politischem Verständnis nachsagen. Geht es aber um seine Band, dann wird Yorke zum kleinen Diktator. Auf die Frage eines Journalisten, wie es Radiohead mit der Demokratie halte, sagt er: "Wir sind wie die UNO – und ich bin Amerika". Demokratie und Popbands: Ist das vielleicht ein Gegensatz?
Die Geschichte des demokratischen Pop beginnt fünf Jahre nach der Geschichte des Pop. Noch in den Fünfzigern gab es Band-Demokratie nur im Jazz. Die Popmusik aber war eine Monarchie. Einer für alle.
Elvis
war in seinem Pop-Reich der King, alle anderen Musiker neben ihm nur kleine Provinzfürsten. Vier Engländer aber räumten Anfang der Sechziger Jahre vordergründig auf mit dem Mythos von Rock’n’Roll als Bastion der männlichen Alleinherrschaft. Die
Beatles
waren vier Männer. Die Beatles waren aber auch vier Meinungen. Und sie sind wahrscheinlich das prominenteste Beispiel einer Band, die an ihrem eigenen Mangel an Demokratie zerbrach. Ende der Sechziger war es mit der Band vorbei.
Dieser Aufstieg und Fall wurde in den folgenden Jahrzehnten von unendlich vielen Musikformationen kopiert.
Peter Gabriel
verließ
Genesis
, weil er den musikalischen Geschmack seiner Bandkollegen nicht mehr schätzte. Die
Smashing Pumpkins
gingen im neuen Jahrtausend getrennte Wege, weil die gemeinsame Entscheidungsfindung zu anstrengend wurde.
Take That
löste sich zwischenzeitlich auf, weil sie – verwirrt vom eigenen Management – plötzlich keine gemeinsamen Vorstellungen von Musik mehr fanden.
Oasis
wiederum wären wahrscheinlich längst zerbrochen, wenn nicht Liam Gallagher genau wüsste, dass sein zur despotischen Herrschaft neigender Bruder die besseren Lieder schreibt.
Auch in Deutschland polarisiert die Frage nach Demokratie die Bands. Als Peter Thiessen, Sänger der Hamburger Band
Kante
, jüngst nach der Entstehung des neuen Albums
Die Tiere sind unruhig
befragt wird, sagt er: "Wir haben uns einige Jahre sehr bemüht, so etwas wie eine Banddemokratie herzustellen. Diesmal habe ich die Dinge stärker in die Hand genommen." Für das neue Album produzierte Thiessen die Stücke alleine am Rechner und lieferte sie fast fertig in den Proberaum. Die Band war häufig einverstanden. Thiessen nennt dies ein "nicht leicht fassbares Verhältnis zwischen Diktatur und Demokratie".
Auch die Hamburger Band
Tomte
kennt das Problem. Der unumstrittene Herrscher dort heißt Thees Uhlmann. Bassist Olli Koch sagt, es habe Zeiten gegeben, in denen er mit Uhlmanns Frontmann-Image sehr gekämpft habe. Die ersten Interviews hätten die beiden noch gemeinsam gegeben. Doch Koch hatte ein Problem damit, dass Uhlmann stets die cooleren Antworten gab.
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