Viele schluckten, als Blumentopf während der WM plötzlich für die ARD rappten. Doch sie sind die Alten. Ein Gespräch über Modenschauen, Jazzclubs und Bekanntsein am Stammtisch
Fragen von Mathias Richel
Kapitel I: Kein Zufall
Während der Fußball-WM habt ihr für die ARD gerappt. Wieso das denn?
Sepalot: Die Jungs von der ARD wollten zur WM wieder einen musikalischen Beitrag haben. Das gab es in den achtziger Jahren schon einmal, Fußballballett hieß das. Damals wurden in Zeitlupe die Bilder des Tages abgespielt und mit klassischer Musik unterlegt.
Ein Redakteur von der ARD hat uns gefragt, ob wir nicht etwas ähnliches machen wollen. Wir haben einen Track produziert, um zu sehen, ob wir das wirklich schaffen: Schreiben, aufnehmen, abmischen und wegschicken. Alles in den anderthalb Stunden nach dem Spiel. Der Knackpunkt war das Testspiel vor der WM gegen Italien, dieses 4:0 ...
Cajus: 4:1.
Sepalot: Stimmt, 4:1. Sehr böse. Aber für uns war das eine Bewährungsprobe und kam bei der ARD unheimlich gut an.
Interessieren sich seitdem Leute für euch, die ihr vorher nicht auf dem Schirm hattet?
Cajus: Es gab auf jeden Fall regen Verkehr auf
unserer Webseite
. Wir haben die Stücke immer zum Download angeboten und hatten bis zu 10.000 Leute täglich auf der Homepage. Es gab viele Gästebucheinträge die sagten: "Leute, normalerweise höre ich Darkmetal oder Punk, aber das finde ich richtig gut!"
Sepalot: Nach der WM haben wir viele Anfragen bekommen, ob wir nicht alles mögliche kommentieren wollten. Modeshows und Betriebsfeste und so - extrem viele und vor allem sehr merkwürdige Anfragen. Die schönste kam von
Heribert Fassbender
persönlich. Der hat sich zu seiner Verabschiedung in die Rente von uns ein Stück gewünscht. Das war cool.
Das habt ihr dann aber produziert, oder?
Cajus: Das klingt blöd: Es ging aus Zeitgründen nicht. Aber wir haben uns sehr geehrt gefühlt, weil das ein kleiner Ritterschlag ist.
Sepalot: Beeindruckend. Wenn du dort bist, eine Tour spielst und Workshops machst, bekommst du viel mehr von den Menschen mit. Mehr, als wir je erfahren hätten, wären wir dort privat angereist. Die Zeit hat uns extrem zusammengeschweißt. Es gab Ausnahme- und Grenzsituationen, wie das ausgefallene Konzert in Jordanien. Es hatte in Amman drei Selbstmordattentate gegeben und eines genau in dem Hotel, in dem wir hätten spielen sollen. Danach haben wir drei Tage mit Diskussionen verbracht: Was machen wir hier überhaupt? Wem müssen wir eigentlich etwas beweisen? Für uns als Gruppe war das eine extreme Erfahrung.
Wir hatten natürlich auch sehr schöne Erlebnisse, vor allem mit den Musikern. Die Gastfreundschaft war großartig. Man spürt, dass alles, was man macht, sagt, oder eben nicht sagt, politisch ist. Es ist so vertrackt und verzwickt dort. Und mein Gott: Wenn man jetzt die Bilder in den Nachrichten sieht, die unsere Generation schon ihr ganzes Leben lang kennt, dann kommt jetzt ein persönlicher Aspekt dazu. Wir haben kennen dort Leute. Das ist beklemmend.