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Great Baikal Trail

Camp 22 vermisst sich

Menschen aus allen Ecken der Welt kommen seit einigen Jahren nach Sibirien, um einen Pfad um den Baikalsee zu bauen. Zuender-Autorin Diane Hielscher war dabei. Und hat eine Familie gewonnen


Uwe aus Dresden massiert Olja aus Angarsk die Schultern, Kai aus Berlin und Anja aus Urik halten Händchen und Elisa aus New England schläft in Lawrentijs T-Shirt. So sieht es aus nach über einer Woche Arbeit am Great Baikal Trail. Eigentlich wollten all diese Menschen nur helfen, den ökologischen Tourismus am Baikalsee voran zu treiben. Dabei sind sie - ohne es zu merken - zu einer großen Familie geworden.

"Great Baikal Trail" ( GBT ) ist eine Non-Profit-Organisation, eine von wenigen in Russland. In Putins "gelenkter Demokratie" muss jeder sehen, wo er bleibt, oft reicht das verdiente Geld nicht mal für den eigenen Lebensunterhalt. Kaum jemand hat da noch Zeit, an Umweltschutz zu denken. Ein paar Menschen aber haben sich die Zeit genommen. Zum Beispiel Alexander, genannt Sasha. Wenn man den 23-Jährigen fragt, warum er sich keinen Job sucht, bei dem er mehr Geld verdient, schüttelt er nur den Kopf und grinst verschmitzt: "Maybe because I`m different or crazy." Er ist der Brigadier von Camp 22, dem Camp, an dem auch ich teilnehme. Ein Brigadier passt auf seine Leute auf, gibt ihnen Moskito-Creme, sagt ihnen, was sie zu tun haben und motiviert sie, wenn es regnet. Rund um den Baikalsee entstehen durch die Arbeit der Camps gut begehbare Wege. Das dschungelartig bewachsene Gebiet wird so erschlossen, ohne dass Planierraupen anrollen müssen. Touristen können kommen, ohne dass sich Hotelimperien ansiedeln.

Camp 22, das sind zwölf Menschen aus Russland, Frankreich, der Mongolei, den USA und Deutschland. Wir sollen im Südosten des Sees arbeiten, in der Nähe des Ortes Tanhoi. Erster Treffpunkt ist das GBT-Büro in Irkutsk. Von da aus geht es etwa fünf Stunden mit einem Mini-Bus nach Tanhoi. Mir gehen erste Zweifel durch den Kopf: Wer sind diese Menschen? Was ist, wenn ich sie nicht leiden kann?

Ein Tag in Camp 22 dauert lange: Zwei Leute sind "on duty". Sie stehen früher auf, machen Feuer und kochen Kascha, russischen Brei aus Haferflocken, Reis oder Buchweizen. Gegen halb acht werden die Anderen zum Frühstück geweckt. Danach geht’s an die Arbeit. Es beginnt mit "cleaning the corridor". Äste und kleine Bäume müssen vom Weg entfernt werden. Touristen, Wissenschaftler, Studenten und Jäger sollen sich weder Kopf noch Beine stoßen. An Flüssen bauen wir kleine Brücken. Zwei halbierte Baumstämme werden zusammengezimmert und mit Steinen befestigt. Touristen, Wissenschaftler, Studenten und Jäger sollen auch trockene Füße behalten. Rutschige und steile Waldwege werden mit Steinstufen versehen. Sie von Erde und Lehm befreit, passende große Steine werden hineingepasst und mit kleinen Steinen befestigt.

Gegen 14 Uhr ist Mittagszeit. Suppe. Immer wieder Suppe. Schie (weiße Kohlsuppe), Borschtsch (rote Kohlsuppe), Möhrensuppe, Kartoffelsuppe... Nach dem Essen geht Camp 22 meist im 6 Grad kalten Fluss schwimmen. Danach schläft es, sonnt sich, trinkt Tee oder redet doofes Zeug. Gegen 16 Uhr geht’s wieder an die Arbeit, bis 19 Uhr. Dazu Sashas Ermahnungen: "Don`t forget your security-cloves!" Wir erweitern sein Repertoire auf: "Don`t forget your security-brain!" Und lachen uns schlapp. Camp-Witze sind wichtig.

Während wir Holzstufen in den Boden rammen, überbrücken wir kulturelle Unterschiede und Sprachprobleme. Steine sind im Französischen offenbar weiblich. Jerome aus Nantes stellt fest: "We can not use this stone, she is too (h)eavy!" Das löst eine Diskussion darüber aus, ob Mond und Sonne Frau oder Mann sind. Dass im Deutschen DER Mond männlich und DIE Sonne eine Frau ist, wird vom Rest der Gruppe schlichtweg nicht akzeptiert. Abends wird geschlemmt: Würstchen, Nudeln, Kartoffelpüree, belegte Brote, Tomatensalat. Kekse, Marmelade, Bonbons. Danach - wie immer: Tee mit Zitrone. Alkohol ist nicht erlaubt, schließlich soll niemand verkatert einen Abhang runterfallen. Keiner vermisst es. Am Lagefeuer werden Brettspiele und Volleyball gespielt. Es herrscht Klassenfahrtstimmung. Jeden Abend lacht Camp 22, bis es Bauchweh hat. Wenn alle müde sind, singen die russischen Mädchen Lieder. Sie kennen dutzende auswendig. Als wir Deutschen singen sollen, zucken wir nur mit den Schultern. In Deutschland singt man nicht. Schließlich trällern wir "Mein kleiner grüner Kaktus". Das war’s, mehr fällt uns nicht ein.

Nach ein paar Tagen beginnt Camp 22, sich gegenseitig nach der Arbeit zu massieren. Muskeln schmerzen, von denen man nicht wusste, dass man sie hat. Nach einer Woche bekommen wir schließlich einen freien Tag: Wir besuchen ein Museum, machen ein Picknick am Baikalsee-Strand und gehen in eine Banja. Die Banja ist die russische Sauna. Es gibt zwei Unterschiede zur normalen Sauna: Die Banja ist um Längen heißer - weh muss es tun! Und: um die Durchblutung zu fördern, peitscht man sich gegenseitig mit Birkenzweigen ab - weh muss es tun! Danach darf Bier getrunken werden. Dazu gibt es getrockneten und geräucherten Omul, Baikal-Fisch.

Die zweite Woche bricht an. Die Spiele und die Running-Gags werden absurder. Man lacht schon, wenn jemand nur ein bestimmtes Wort sagt. Wir sind jetzt ein eingespieltes Team, die Handgriffe sitzen, das Feuer brennt immer, das Teewasser ist immer pünktlich heiß. Jeder weiß, was zu tun ist.

Und auf einmal ist alles vorbei. Zwei Wochen, wie ein Wimpernschlag vergangen. Den Abschied wollen die meisten nicht wahr haben. Bei unserer Abschiedsfeier im GBT-Büro spielen sich dramatische Szenen ab - Umarmungen, Küsse, Tränen in den Augen. Ich bin wieder zu Hause, in Berlin. Die Bilanz: 53 Holzstufen, 30 Steinstufen, zwei Brücken, ein "gecleanter corridor", zwei Fußverletzungen, eine Schnittwunde. Und unzählige neue Freundschaften. Wer hätte gedacht, dass Umweltschutz das Herz so erwärmen kann.

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