Jemand könnte kommen und behaupten, die Abholzung des Regenwalds würde unserem Planeten langfristig helfen. Jemand könnte auch meinen, Schläge seien bei der Erziehung von Kindern nicht so unvorteilhaft, wie in liberalen Medien behauptet wird. Zum Thema Umweltschutz hat schließlich jeder was zu sagen, zur Kindererziehung erst recht. Und obwohl diese Themen längst abgegessen sind, eröffnet eine überwunden geglaubte Position einen neue Diskussion. So werden alte Argumente mit einer Prise Zeitgeist versehen und schon sind die Zeitungen voll mit Vorabdrucken und Rezensionen der Bücher mit den neuen alten Meinungen.
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Und so kommen am Ende die Konsumenten ins Spiel. Wenn ein alter Mann wie
Günter Grass
in seiner Jugend für einige Zeit einer paramilitärischen Organisation angehörte, und dies in einem Interview kurz vor der Veröffentlichung seines Buches
beichtet
, dann tritt er nicht eine längst notwendige Diskussion um Schuld und Sühne der Flakhelfergeneration los, sondern will sein Buch verkaufen. Wenn
Florian Illies
in seinem neuen Buch die Rückkehr in die Provinz beschwört, dann will er kein Gefühl für Heimat stiften, sondern ein Buch verkaufen. Wenn Eva Herman fordert, dass Frauen öfter einfach mal den Mund halten sollten, dann will sie nicht die Allgemeinheit ins Grübeln bringen, ob die Emanzipation der Frau ein Irrtum war, sondern ein Buch verkaufen. Der breite Widerspruch, den ihre Aussagen provozierten, half Herman, ihr Buch zu bewerben. Wenn das nächste Mal ein Buchautor den Mund aufreißt, sollten wir uns bewusst sein: Schweigen ist auch eine Form der Missbilligung.