Berufsbilder
70 Prozent Spaß
Statt in einer Werbeagentur Pixel zu schieben, schiebt Christian Vogel jetzt lieber Bier über den Tresen. Seinen eigenen Tresen in seiner eigenen Bar. Die etwas andere Karriere
Von Carolin Ströbele
"Die Buchstaben hab ich damals einfach aus Pappe ausgeschnitten, lackiert und mit dem Akkuschrauber festgetackert", erzählt Christian Vogel. "Linz" steht da jetzt in rostroten Lettern über dem Eingang seiner Bar – eine Hommage an seine österreichische Heimatstadt. Die Buchstaben haben inzwischen den zweiten Winter überstanden – genauso wie Christians Bar im Hamburger Stadtteil Eimsbüttel. Manchmal fragen ihn seine Gäste, aus welchem besonderen Metall die Buchstaben seien. Dann erzählt er die Pappdeckel-Geschichte und lacht.
Christians Augen scheinen immer ein bisschen zu lachen, auch wenn sie jetzt, am Samstagmittag um ein Uhr, noch sehr klein sind. "Is a bissl lang geworden gestern", sagt der 30-Jährige verlegen und zündet sich erst mal eine Zigarrette an. Wenn Christian berichtet, wie er seinen Traum von der eigenen Bar verwirklicht hat, klingt das tatsächlich so einfach, wie Buchstaben aus Karton ausschneiden. "Ich hab im Vorbeilaufen gesehen, dass der Laden zu vermieten ist und hab sofort angerufen", erzählt er. "Einen Monat später hab ich angefangen zu renovieren."
Zu diesem Zeitpunkt arbeitete der gelernte Werber noch als Produktionsassistent bei Filmdrehs. Die Auftragslage war mau und die Aussicht, wieder in eine Agentur zu gehen, für ihn nicht unbedingt verlockend. Erleichtert wurde die Entscheidung für die Bar damals durch eine Erbschaft, die Christian als Startkapital diente. "Ohne die wäre es auch nicht gegangen", da ist er sich heute sicher. Die Unterstützung von Freunden und Familie hatte er von Anfang an – was den angehenden Kneipier damals selbst überraschte. "Ich musste bei meinen Eltern nicht mal einen ‚Werbefeldzug’ für die Bar machen", erzählt er. "Mein Vater fand es wohl gut, dass ich mal lerne, dass Umsatz nicht gleich Gewinn ist."
5000 bis 8000 Euro Umsatz pro Monat müssen rausspringen, das weiß Christian inzwischen. Allein die Miete liegt bei 2000 Euro, hinzu kommen Strom, Versicherung, Gema-Gebühren, Kosten für die Putzfrau.
Jemandem, der eine Bar in dieser Größe – etwa 50 Quadratmeter – eröffnet, würde er raten, mit mindestens 30.000 Euro einzusteigen, sagt er. Er selbst habe damals kaum Hilfe und Ratschläge in Anspruch genommen. Heute kann er darüber nur noch den Kopf schütteln: "Ich bin da viel zu blauäugig rangegangen."
Der Anfang war dementsprechend hart: "Ich habe drei Monate auf die Baugenehmigung gewartet." Das bedeutete: Drei Monate Miete zahlen und gleichzeitig keine Einnahmen vorweisen können. Außerdem muss sich ein neuer Laden erst einmal etablieren, noch dazu, wenn er wie das "Linz" Tür an Tür mit einer Traditionskneipe liegt. "Ich kann mich noch an den Abend erinnern, an dem ich nur ein einziges Astra verkauft hab", sagt Christian. Die Gesetze der Nacht sind für ihn auch nach eineinhalb Jahren Kneipenerfahrung manchmal noch unergründlich. "Es gibt Freitage, an denen mach ich um acht Uhr auf und um elf Uhr wieder zu." Manchmal entsteht dagegen aus dem Nichts plötzlich eine Party – an einem Dienstagabend vielleicht, an dem man gar nicht damit gerechnet hat.
Weiterlesen im 2. Teil »