Interview
Spiel des Lebens
TEIL 2
Dass sie unglaublich zäh und zugleich die bravsten Bürger sind. Dass sie nie krank werden, weil sie es sich einfach nicht leisten können. Dass für sie jede rote Ampel ein Tabu ist. Und, dass man Illegale nicht über einen Kamm scheren kann. Sie kommen aus den unterschiedlichsten Gründen hierher und es macht einen großen Unterschied, ob man politischer Flüchtling oder Arbeitsmigrant ist.... Sie kommen zum Beispiel, weil sie als junges Mädchen nicht zwangsverheiratet werden wollen. Oder weil sie Pazifist sind, es in ihrem Land aber eine Wehrpflicht und keinen Zivildienst gibt. Oder weil sie von der Tristesse in ihrem Heimatland die Schnauze voll haben und durch westliche Medien wie MTV in den Westen gelockt werden. Obwohl es Flüchtlingen mittlerweile immer schwerer gemacht wird, in Deutschland oder in EU-Länder generell einzureisen. Dann kommen Schleuserbanden ins Spiel. Im Prinzip sind sie nichts anderes als Reisebüros für Flüchtlinge, die sie für horrende Summen in die “Festung Europa“ schleusen.
Heißt dein Spiel deswegen "Unter Uns"?
Genau. Der Schengenverbund hat zwar dazu geführt, dass innerhalb der EU-Länder Reisefreiheit herrscht, dafür wurden die außereuropäischen Grenzen aber verschärft. Allein 2003 wurden von EU-Innenministern über 400 Millionen Euro ausgegeben, um den Grenzschutz zu verschärfen. Es gibt dieses absurde Drittstaatengesetz, das besagt, dass ein Flüchtling, der über Polen nach Deutschland flieht und hier geschnappt wird, zurück nach Polen muss, weil er sich dort schon auf sicherem Boden befunden hat. Vor allem Deutschland macht dicht. In anderen Ländern wie Spanien oder Frankreich gab es zu gewissen Regierungszeiten Stichtage für Illegale. Die konnten sich dann – wenn sie schon seit fünf Jahren dort lebten und arbeiteten – staatlich legalisieren lassen. So etwas gab und wird es in Deutschland auch nie geben.
Gab es für dein Spiel Vorbilder oder hast du damit Neuland betreten?
Bereits im Ersten Weltkrieg wurden thematische Brettspiele zu Propagandazwecken entwickelt ("Unsere U-Boote", 1919). Im Dritten Reich kamen dann eine ganze Fülle von solchen banalen Spielen auf – "Siegeslauf des Hakenkreuzes" oder "Hitlerjugend Geländeübung". Ab den 70er Jahren zogen dann gesellschaftskritische Spiele in die Spielindustrie ein – wie "Provopoli", in dem es um den Klassenkampf ging.
Was das Thema betrifft, so gab es da Vorbilder in der Kunst. Zum Beispiel hat sich eine amerikanische Künstlerin sehr spannend mit der Thematik auseinandergesetzt. Sie hat speziell für die
mexikanischen Jumpers
einen Multifunktionsturnschuh erfunden – mit eingebautem Kompass, aufgedruckter Karte und Schmerzmittel in der Sohle.
Funktionieren ernsthafte Thematiken in Spielen überhaupt?
Es gibt Spiele zum Klimawandel oder Spiele, in denen du dein eigenes Startup-Unternehmen gründest. Warum also nicht auch ein Spiel über Illegale?
Sollen Spiele nicht Spaß machen?
Natürlich sind Spiele in erster Linie dafür gemacht, die Leute für ein paar Stunden aus ihrem Alltag herauszuholen. Das hat mich aber angestachelt, ein Spiel zu entwerfen, das gerade keinen Spaß macht und den gesamten Spielbegriff in Frage stellt.
Glaubst du, dass dein Spiel auf dem Markt Chancen hätte?
Es war von Anfang an klar, dass das Spiel keinen Abnehmer auf einem kommerziellen Spielmarkt finden würde. Gerade weil ich die Leute mit einem sozial-kritischen Thema wie Illegalität und Migration eben nicht vom Alltag ablenke, sondern sie im Gegenteil darauf stoße.
Für wen ist das Spiel gemacht?
Ich könnte mir mein Spiel gut für den Unterricht vorstellen – als Einführung in die Thematik Migration. Oder als Kunstobjekt im Museum.
Hast du früher selbst gerne gespielt?
Undercover- und Agentenspiele mochte ich immer sehr gerne. Alles was mit versteckten Identitäten zu tun hatte...
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