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Interview

Spiel des Lebens

Benjamin Franken hat das erste Brettspiel über Illegale erfunden. Warum das Leben hier in Deutschland ohne Pass keinen Spaß macht, davon erzählt er im Zuender-Gespräch mit Katja Peglow.

Wie kommt man auf die absurde Idee, ein Brettspiel über Illegale in Deutschland zu erfinden?

Ich habe für meine Diplomarbeit im Fachbereich Visuelle Kommunikation an der Bauhaus-Universität Weimar ein Thema gesucht. Zuerst wollte ich was über Kartografie oder Schmuggeln machen. Ich habe dann angefangen zu recherchieren, und ab dem Punkt war es nur noch ein kleiner Schritt bis zu den Flüchtlingsgeschichten. Das ist im Prinzip auch nichts anderes als Schmuggel – nur dass keine Waren, sondern Menschen geschmuggelt werden.

Worum geht es in deinem Spiel?

Es geht um die Situation und Lebensumstände illegaler Menschen in Deutschland. Die Spieler sollen einen Einblick bekommen, wie es sich für “Statuslose“ anfühlt, in Deutschland zu leben, wenn sie nicht durch einen Pass, Führerschein, Sozial- oder Krankenversicherung abgesichert sind. Ohne Pass keinen Spaß. Deswegen auch der Name meiner Website .

Das hört sich kompliziert an.

Deswegen ist es als klassisches Laufspiel konzipiert. Jeder Spieler durchläuft ein Leben in der Illegalität. Wie im richtigen Leben entscheidet auch im Spiel das reine Glück darüber, ob man von “Polizeikontrollen“ oder “ausbeuterischen Arbeitgebern“ – als Ereigniskarten - verschont bleibt. Mein Ziel war es, durch visuelle Kommunikationsmittel ein komplexes, gesellschaftlich relevantes Thema nachvollziehbar zu machen.

Und das Ziel des Spiels?

Ist die Integration in die Gesellschaft beziehungsweise Legalität.

Warum hast du dich gerade für dieses Thema entschieden? Illegalität ist ja nicht gerade ein einfaches oder besonders unterhaltsames Thema.

Mir war von Anfang an klar, dass ich nicht einfach cooles Grafikdesign entwerfen, sondern dieses Visuelle auch mit Inhalten füllen wollte. Außerdem ist das ein Thema, das meiner Meinung nach nicht genug Medienpräsenz bekommt. Keiner kann genau sagen, wie viele Illegale sich in Deutschland aufhalten. Schätzungen zufolge sollen es 500.000 bis 1 Million Menschen sein, die hauptsächlich in Großstädten leben. Es gibt also eine ganze Menge. Trotzdem wissen wir sehr wenig über sie. Das liegt auch in der Natur der Sache, weil Illegale ein Undercover-Leben führen müssen. Deshalb ist die Idee, ihr Leben auf eine Spielebene zu übertragen, gar nicht so abseitig: Sie spielen buchstäblich ihr eigenes, bizarres Spiel des Lebens. Nur mit fataleren Folgen.

Wie hast du dich in diese Thematik eingearbeitet? Du kannst ja schlecht ein Gesuch ans Schwarze Brett pinnen, in dem du auskunftsbereite Illegale dazu aufrufst, sich bei dir zu melden...

Im Zuge der Recherche war relativ schnell klar, dass ich persönlich nicht an Illegale herankommen würde. Also habe ich mir andere Quellen gesucht: Organisationen, die sich der Illegalen in Deutschland annehmen. Es gibt zum Beispiel Ärzte, die Illegale behandeln, obwohl sie sich dadurch strafbar machen. Nur wollen diese Leute alle möglichst unerkannt bleiben und sind daher schwer zu erreichen. Außerdem habe ich das gesamte Ausländergesetzbuch durchgelesen, um mich auch juristisch schlau zu machen.

Bist du zuvor politisch engagiert gewesen?

Ich habe mich nie vor Abschiebehaftanstalten gekettet, falls du das meinst. Ich bin jetzt und war vorher auch nie politisch aktiv. Ich glaube aber, dass du nur das gut gestalten kannst, was du auch wirklich verstehst. Also habe ich angefangen zu recherchieren.

Was hast du über Illegale in Erfahrung gebracht?

Dass sie unglaublich zäh und zugleich die bravsten Bürger sind. Dass sie nie krank werden, weil sie es sich einfach nicht leisten können. Dass für sie jede rote Ampel ein Tabu ist. Und, dass man Illegale nicht über einen Kamm scheren kann. Sie kommen aus den unterschiedlichsten Gründen hierher und es macht einen großen Unterschied, ob man politischer Flüchtling oder Arbeitsmigrant ist.... Sie kommen zum Beispiel, weil sie als junges Mädchen nicht zwangsverheiratet werden wollen. Oder weil sie Pazifist sind, es in ihrem Land aber eine Wehrpflicht und keinen Zivildienst gibt. Oder weil sie von der Tristesse in ihrem Heimatland die Schnauze voll haben und durch westliche Medien wie MTV in den Westen gelockt werden. Obwohl es Flüchtlingen mittlerweile immer schwerer gemacht wird, in Deutschland oder in EU-Länder generell einzureisen. Dann kommen Schleuserbanden ins Spiel. Im Prinzip sind sie nichts anderes als Reisebüros für Flüchtlinge, die sie für horrende Summen in die “Festung Europa“ schleusen.

Heißt dein Spiel deswegen "Unter Uns"?

Genau. Der Schengenverbund hat zwar dazu geführt, dass innerhalb der EU-Länder Reisefreiheit herrscht, dafür wurden die außereuropäischen Grenzen aber verschärft. Allein 2003 wurden von EU-Innenministern über 400 Millionen Euro ausgegeben, um den Grenzschutz zu verschärfen. Es gibt dieses absurde Drittstaatengesetz, das besagt, dass ein Flüchtling, der über Polen nach Deutschland flieht und hier geschnappt wird, zurück nach Polen muss, weil er sich dort schon auf sicherem Boden befunden hat. Vor allem Deutschland macht dicht. In anderen Ländern wie Spanien oder Frankreich gab es zu gewissen Regierungszeiten Stichtage für Illegale. Die konnten sich dann – wenn sie schon seit fünf Jahren dort lebten und arbeiteten – staatlich legalisieren lassen. So etwas gab und wird es in Deutschland auch nie geben.

Gab es für dein Spiel Vorbilder oder hast du damit Neuland betreten?

Bereits im Ersten Weltkrieg wurden thematische Brettspiele zu Propagandazwecken entwickelt ("Unsere U-Boote", 1919). Im Dritten Reich kamen dann eine ganze Fülle von solchen banalen Spielen auf – "Siegeslauf des Hakenkreuzes" oder "Hitlerjugend Geländeübung". Ab den 70er Jahren zogen dann gesellschaftskritische Spiele in die Spielindustrie ein – wie "Provopoli", in dem es um den Klassenkampf ging.
Was das Thema betrifft, so gab es da Vorbilder in der Kunst. Zum Beispiel hat sich eine amerikanische Künstlerin sehr spannend mit der Thematik auseinandergesetzt. Sie hat speziell für die mexikanischen Jumpers einen Multifunktionsturnschuh erfunden – mit eingebautem Kompass, aufgedruckter Karte und Schmerzmittel in der Sohle.

Funktionieren ernsthafte Thematiken in Spielen überhaupt?

Es gibt Spiele zum Klimawandel oder Spiele, in denen du dein eigenes Startup-Unternehmen gründest. Warum also nicht auch ein Spiel über Illegale?

Sollen Spiele nicht Spaß machen?

Natürlich sind Spiele in erster Linie dafür gemacht, die Leute für ein paar Stunden aus ihrem Alltag herauszuholen. Das hat mich aber angestachelt, ein Spiel zu entwerfen, das gerade keinen Spaß macht und den gesamten Spielbegriff in Frage stellt.

Glaubst du, dass dein Spiel auf dem Markt Chancen hätte?

Es war von Anfang an klar, dass das Spiel keinen Abnehmer auf einem kommerziellen Spielmarkt finden würde. Gerade weil ich die Leute mit einem sozial-kritischen Thema wie Illegalität und Migration eben nicht vom Alltag ablenke, sondern sie im Gegenteil darauf stoße.

Für wen ist das Spiel gemacht?

Ich könnte mir mein Spiel gut für den Unterricht vorstellen – als Einführung in die Thematik Migration. Oder als Kunstobjekt im Museum.

Hast du früher selbst gerne gespielt?

Undercover- und Agentenspiele mochte ich immer sehr gerne. Alles was mit versteckten Identitäten zu tun hatte...

Auch wichtig:

Zum Anschauen - Acht Bilder zum Spiel

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