Attac
Schnell verglüht
TEIL 2
Vom Ökobauernhof in der niedersächsischen Provinz war das Hauptquartier des Netzwerks nach Frankfurt am Main umgezogen, in das Herz des deutschen Kapitalismus. Man fand Verbündete in
Verdi
,
bei Greenpeace
, den
"Freunden der Erde"
und agitierte neuerdings auch gegen Krieg, Sozialabbau, Umweltzerstörung und Copyright. Was den Attac-Aktivisten als Notwendigkeit erschien, irritierte viele Sympathisanten. Das Jugendmagazin
"Neon"
, das ein halbes Jahr zuvor den Attacisten Sven Giegold zum "wichtigsten jungen Deutschen" erklärt hatte,
lästerte
nun über die Besserwisserei und das Palaver bei Attac: "Jeder hier hat ein persönliches Hobby – My Own Private Wirtschaftstheorie."
Auch langfristige Wegbegleiter Attacs sprachen sich zunehmend kritisch aus.
"Wahrschauer"
, das selbsterklärte "Magazin für Gegenkultur", hatte bereits 2002 ein Attac-Zitat dem nahezu identischen Textausschnitt eines Anti-Globalisierungs-Flugblatts der NPD-Jugendorganisation gegenübergestellt und auf die Anfälligkeit der Bewegung für rechtsradikale Unterwanderung hingewiesen. Während Rechte die Nähe suchten, übten sich Linke in Distanz. "Das Selbstverständnis von Attac ist kein Selbstverständnis", pöbelte eine kommunistische Zeitung. Attac sei strukturell antisemitisch, hieß es von verschiedenen Seiten. Und Jörg Bergstedt schrieb in seiner umfassenden Attac-Kritik
"Mythos Attac"
: "Nur die Slogans, Fahnen und Theatralik in den Straßenaktionen verleihen dem biederen Minimalreformismus den Flair des Revolutionären."
Attac, die Konzernkritiker mit der
Corporate Identity
. Attac, die außerparlamentarische Opposition mit Hang zu Rot-Grün. Attac, die Bewegung, deren Anführer sich nicht um die Basis zu scheren schienen. Attac, die Anti-Kapitalisten, die gar keine waren – das einstige Wunderkind der Linken wurde in Flugblättern und auf Podien hart beschossenen. Die Anfangseuphorie vieler war schnell verglüht: Trotz Medienprominenz ließen politische Erfolge noch auf sich warten. Auch haben die thematische Ausweitung und die Koalitionen mit Gewerkschaften, Parteipolitikern und anderen
Nichtstaatlichen Organisationen
Attac die exponierte Stellung gekostet, die das Netzwerk als stärkste Kraft in der Anti-Globalisierungsbewegung hatte.
Im April vergangenen Jahres feierte Attac Deutschland seinen fünften Geburtstag. Seitdem ist es still geworden um die "große ökonomische Alphabetisierungskampagne", wie Attac von seinem
wissenschaftlichen Beirat
in Bezug auf den Soziologen
Pierre Bourdieu
genannt wird. Eine Möglichkeit bleibt der Bewegung noch, die Aufmerksamkeit der breiten Öffentlichkeit zurückzugewinnen: Vom 6. bis 8. Juni 2007 kommt der G8-Gipfel nach Heiligendamm bei Rostock. Es ist die vielleicht letzte Chance für die Globalisierungskritiker, eine neue Diskussion um globale Gerechtigkeit loszutreten. Darum geht es ihnen schließlich. Und nicht um Punkrock, Coolness und Medienhypes.
Weiterlesen:
Wo ist die andere Welt?
— Attac wendet sich gegen die Globalisierung. Doch womit anfangen?
Nach Hause
— Zuender. Das Netzmagazin.