"Obwohl sie mich beklaut hatten, wollte ich zu ihnen gehören"
TEIL 2
Wie wurde dir im Krankenhaus geholfen?
Auf dieser Frage habe ich schon viele unterschiedliche Antworten
gegeben. Manchmal habe ich gesagt, dass mir dort überhaupt nicht
geholfen wurde, manchmal habe ich gesagt, dass die Medikamente und die
Ruhe mir doch sehr geholfen zu haben scheinen. Ich habe anfangs Tavor,
ein Benzodiazepin und später Risperdal bekommen. Was dort nicht
stattgefunden hat, ist eine Gesprächstherapie oder eine besondere
Zuwendung. Ob das vielleicht gar nicht schlecht war, das ist eine
andere Frage. Am meisten hat mir wohl der Schock geholfen in einer
psychiatrischen Anstalt gelandet zu sein. Einige schizophrene Merkmale
hatten sich ja schon ein Jahr vorher angekündigt und wurden von mir
ignoriert. Dass mein Bewusstsein diese Psychose hervorgebracht hat, war
auch so etwas wie ein allerletzter und radikaler
Selbstheilungsmechanismus. Wenn man allen erzählen muss: Ich war in
der Psychiatrie und das auch seinem Spiegelbild sagen muss, dann ist
das eine sehr eindringliche Erfahrung.
War dieser Schock der Hauptgrund dafür, dass du mit dem Kiffen aufgehört hast?
Nein, als ich draußen war habe ich ja danach noch bis zum Abitur, also
rund zwei Jahre, weiter gekifft. Aufgehört habe ich erst nach dem
Abitur. Der Schock hat eher dazu geführt, dass ich mich mit meiner
eigenen Psyche mal weniger naiv auseinander gesetzt und innerlich um
Klarheit bemüht habe. Dazu kam noch mein Ehrgeiz mehr aus meinem Leben
machen zu wollen. Ich spürte plötzlich, dass ich noch Erwartungen habe.
Dieser Prozess hält an. Ich will mich kreativ verwirklichen, dabei auch
Erfolg haben, finanzielle Unabhängigkeit erlangen und die Liebe meines
Lebens finden. Einfach wohl das, was die meisten Menschen sich
erträumen. Und damals wurde mir klar, dass das Kiffen dem im Weg steht.
Ein tolles Beispiel ist für mich, wenn jemand einmal im Jahr Cannabis
raucht und dabei meditiert; das kann ihn unter Umständen sehr
bereichern. Nur war mir klar, dass ein solcher oder ähnlicher Weg (alle
paar Wochen) mir versperrt war und noch immer ist, mein Hedonismus hat
mich immer wieder auf die falsche Bahn geführt, das will ich nicht noch
einmal erleben. Aber ich glaube durchaus, dass es Menschen gibt, die
Glück, Zufriedenheit und kreative Selbstverwirklichung erreichen können
und ab und zu kiffen, genauso wie es viele gibt die überhaupt nicht
damit klarkommen.
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Schneiden einige der Medien, die dich interviewt haben, diesen letzten Satz von dir raus?
Das kam in der Tat schon vor. Ich habe oft beobachten können, wie Medienschaffende eine vorgefertigte Meinung zu dem Treffen mit mir mitbrachten und, teilweise erfolgreich, versucht haben meine Aussagen in ihr Muster zu pressen. Natürlich muss man, wenn man sich um eine differenzierte Debatte bemüht, einsehen, dass es Menschen gibt, die mit THC-haltigen Produkten genauso verantwortungsvoll umgehen wie gesellschaftliche Leitfiguren mit ihren gepflegten drei Gläsern Rotwein. Das exzessive Kiffen von jungen Schülern ist aber dennoch ein Problem, das eine differenzierte Herangehensweise schwierig macht. Die Medien denken sich wohl oft, dass eine ausgewogene Darstellung bei Eltern und Jugendlichen zu falschen Schlüssen führt.
Zeigen aber die bisherige Aufklärungsversuche nicht genau das Gegenteil? Hat nicht die undifferenzierte Darstellung der Auswirkungen des Kiffens dazu geführt, dass die Jugendlichen weder Eltern, Schule noch Anti-Drogen-Kampagnen ernst nehmen?