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Mutismus

Nicole will nicht länger schweigen

TEIL 3

Keine Gänge in den Supermarkt – spätestens an der Kasse müsste Nicole sprechen. Keine Besuche im Kino, „hab niemanden... der mitgeht“. Alleine ginge auch nicht, Nicole schüttelt den Kopf, „... die Kinokarte“: nach der müsste sie ja fragen, die müsste sie ja kaufen. Und selbst wenn sie eine geschenkt bekäme, könnte es immer noch passieren, dass sie sich nicht auskennt, nach dem Saal, der Toilette fragen müsste. Das Problem mit der Toilette hat Nicole schon immer auf ihre Weise gelöst. Irgendwann während der Schulzeit hatte sie es mal mit einem Praktikum versucht im Büro von 8 bis 16 Uhr. Auch hier konnte sie nicht nach der Toilette fragen. „Habe ich eingehalten, bis ich wieder zu Hause war“, schrieb Nicole auf einen Zettel für Dr. Hartmann am Anfang der Therapie. Die sie übrigens selbst angestoßen hat. Denn irgendwann ging Nicole gar nicht mehr vor die Tür. Massive Depressionen, gekoppelt mit der Sozialphobie hinderten sie. Hartmann bezeichnet es als „emotionale Zwangsjacke“.

Chatten ist der einzige Weg nach draußen

Allein zuhause saß diese Jacke nicht so eng. Außerdem fand Nicole hier einen gefahrlosen Weg nach draußen: Chatten. „Für viele Mutisten der einzige Weg“, sagt Hartmann. So hat Nicole Sidack (32) kennen gelernt, der in Paris lebt. Er sei getrennt von seiner Frau, hat er Nicole erzählt. Seit Juni 2003 chattet Nicole mit ihm. Dein Freund? Sie lächelt, nickt. „Nicht nur nicken. Sag mal was, Nicole“, Dr. Hartmann ermuntert sie sanft, aber fordernd. Sidack wüsste Bescheid über ihr Leiden, erzählt Nicole. Fünfmal hätten sie sich persönlich gesehen, bei ihm in Paris, aber nur in Hotels. Lieber nicht bei ihm in der Wohnung, denn da würden ja auch noch weitere Mitbewohner leben und Nicole habe doch Angst vor Fremden, da würde sie sich ohnehin nicht wohlfühlen. Lautet die Begründung Sidacks.

Gefährliche Welt. Nicole guckt aus dem Fenster. Es hat angefangen zu regnen, die Tropfen klopfen leise gegen die Scheibe. Zum ersten Mal in ihrem Leben packt Nicole das Problem an. Nimmt ein Anti-Depressivum. Trainiert mit Dr. Hartmann das Äußern von Lauten und Worten, macht Übungen in Begleitung von Praxis-Praktikanten: Besuche in Apotheken und Supermärkten, wo Nicole etwas kaufen muss. Es sei ein Irrglaube, dass über 90 Prozent der mutistischen Kinder Missbrauchskinder wären, schüttelt Dr. Boris Hartmann den Kopf. Er sieht die Gründe unter anderem in einer „Veranlagung für Gehemmtheit und sozialängstlichem Verhalten“, gekoppelt mit einer „Überreaktion des Angstzentrums“. Störungen, „die so früh wie möglich behandelt werden müssen, sonst verliert man wertvolle Zeit“, warnt der Therapeut. Viele würden das Problem nicht ernstnehmen. Gerade bei kleinen Kindern würde es missverstanden, für Trotz gehalten. Fatal. „Je älter der Mensch wird, umso mehr richtet er sich in einem Krankheitsgewinn ein“, sagt Hartmann. Hilflose Mitmenschen, die in eine falsche Fürsorge rutschten, indem sie das Sprechen übernehmen, schlössen den Teufelskreis. Nicole will da raus. Sie hat ein festes Ziel: im nächsten Jahr eine Ausbildung beginnen. Was ist dein Traumberuf? Braune Augen. Stumme Blicke. Schweigen. Stille. Es arbeitet in Nicole. Dann räuspert sie sich, „... Gärtnerin“, ein Lächeln schubst das Wort über ihre Lippen. Bevor die sich wieder schließen für eine Zeit.


 
 



 

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