Interview
"Auch im Netz gibt es Grenzen"
Der bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU) prägte den Begriff "Killerspiel". Im Zuender-Interview spricht er über die deutsche Jugend, Netzüberwachung und darüber, wie sich junge Migranten integrieren lassen
Fragen von Christian Bangel
Herr Beckstein, Was fällt ihnen ein, wenn sie an junge Menschen in Deutschland denken?
Zuallererst, dass ich viele junge Menschen kenne, die sehr viel härter und intensiver arbeiten, als ich das in meiner Jugend getan habe. Die Chancen auf dem Arbeitsmarkt sind heute viel schlechter als zur Zeit des Aufstiegs Deutschlands. Ich stimme überhaupt nicht ein in die Klage über die heutige Jugend.
An welcher Stelle kommt das Thema Jugendkriminalität?
Natürlich haben wir auch damit zu tun. Problematisch ist besonders, dass die Grausamkeit und die Gewaltbereitschaft zunimmt. Früher gab es Raufereien, bei denen der Überlegene irgendwann mal aufgehört hat. Heute wird oft noch mal mit Schuhen nachgetreten, an denen häufig sogar noch eine Stahlkappe ist. Das betrifft aber nur einen kleinen Teil junger Menschen. Da sind selbstverständlich auch Leute mit Migrationshintergrund dabei, Türken, deutsche Spätaussiedler aus Russland. Es sind ganz überwiegend Männer, wenn auch die Frauen etwas „aufgeholt“ haben. Ein weiteres Problem ist der Missbrauch von Alkohol und Gebrauch von Drogen. Das sind Dinge, die mir zeigen, dass wir die Sozialisation junger Menschen in bestimmten Randbereichen noch deutlich verbessern müssen.
Sie halten die Jugend also heute für gewalttätiger als früher?
Ich sage das nicht pauschal. Nur: Da, wo Straftaten passieren, ist eine Zunahme der Intensität zu spüren.
Woran liegt das?
Es gibt in Videospielen und visuellen Medien heute eine viel größere Grausamkeit. Auch Berichte über den Krieg im Kosovo, über Attentate im Nahen Osten und Computerspiele reduzieren Hemmschwellen. Medien und gewaltverherrlichende Spiele sind da von nicht zu unterschätzender Bedeutung.
Der Koalitionsvertrag zwischen SPD und Union sieht vor, die sogenannten „Killerspiele“ unter ein Totalverbot zu stellen...
Das war mir ein ganz persönliches Anliegen. Ich habe mir von meinen Mitarbeitern Spiele zeigen lassen, bei denen Menschen geschlachtet werden wie Tiere. Bei denen man mit Handgranaten auf Leute wirft und dann beobachten kann, wie diese Menschen in scheußlichster Weise verletzt werden. Dass solche Killerspiele die Hemmschwelle gegen Gewalt herabsetzen, ist für mich eindeutig, auch wenn wissenschaftliche Belege hierfür noch umstritten sind. Es reicht nicht, solche Spiele nur mit Verleihverboten zu belegen. Die lassen sich ja billig reproduzieren und unter der Hand weitergeben. Dann kauft es der 22-jährige und gibt es seinem 16-jährigen Bruder. Ich kenne die rechtlichen Probleme, aber wir wollen das verbieten, weil es eine abstumpfende und gewaltfördernde Wirkung hat. Wir können nicht werktags so etwas zulassen und uns dann sonntags über die zunehmende Gewalt beklagen.
Ein Großteil junger Menschen bezieht sich die Spiele ohnehin aus dem Netz.
Das ist richtig, aber schauen Sie sich das Thema Kinderpornographie an. Auch hier ist heute das vorwiegende Medium das Internet und trotzdem greift das Verbot. Kinderpornographische Angebote werden wegen ihrer Strafbarkeit viel weniger genutzt, als wenn sie frei auf dem Markt verfügbar wären.
Ist das nicht auch symbolische Politik?
Nein. Wir überwachen das Netz auch mit verdachtsunabhängigen Kontrollen durch die „Cyberpolice“ beim Landeskriminalamt. Wir können so die Nutzung schon deutlich beeinflussen. Wir können das Herunterladen dieser Spiele nicht beseitigen, aber wir können es mit Risiken versehen. Die Zahl der Jugendlichen, die an das Zeug herankommen, kann so deutlich herabgesetzt werden.
Vor einigen Wochen hatten sie ja bereits vorgeschlagen, Bombenbauanleitungen aus dem Internet zu filtern. Soll der Netzverkehr in Deutschland an einer zentralen Stelle gefiltert werden?
Niemand kann das Internet komplett kontrollieren. Es geht nur darum, dass Provider zumindest verpflichtet werden, solche Angebote aus dem Netz zu nehmen, wenn sie darauf hingewiesen werden. Natürlich wird das nicht für die erste Reihe der Al-Qaida von Bedeutung sein. Aber es gibt Leute, die nicht selbst in einem Ausbildungslager waren, Trittbrettfahrer. Abgesehen davon, dass es auch Rechts- und Linksextremisten gibt, die selbst nicht die Kompetenz zum Bombenbauen besitzen, aber so auf eine leichte Weise an das Wissen darüber gelangen können. Wir müssen daher durchsetzen, dass Gewalt nicht überall verfügbar wird.
Sehen sie die Gefahr, dass, nachdem die technischen Voraussetzungen zum Filtern gefährlicher Inhalte gegeben sind, auch andere Informationen kontrolliert werden?
Man muss diese Gefahr sehen. Ich denke aber nicht, dass das eintritt. Wir wollen nicht zu George Orwell. Das Internet ist eine wichtige Plattform, auf der sich Menschen austauschen. Es hat für die Freiheit der Welt riesige Bedeutung. Wir müssen aber bestimmte Grenzen ziehen. Die sehe ich zum Beispiel bei Kinderpornographie, Anleitungen zum Bombenbau oder bei Killerspielen.
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