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Sicherungsverwahrung

Wegsperren – und zwar für immer?

Die Große Koalition plant ein Gesetz zur Sicherungsverwahrung Jugendlicher. Jugendliche, die eine Straftat begangen haben, können damit für immer eingesperrt werden. Es geht darum, die Gesellschaft zu schützen. Aber auch um Angst

Vielleicht hätten wirklich Menschenleben gerettet werden können, wäre die Gesetzesänderung, um die es geht, bereits in Kraft. Die kommende Regierung aus SPD und CDU will die Sicherungsverwahrung auch für 14- bis 18-jährige Straftäter möglich machen. Rückfallgefährdete Jugendliche könnten dann nach auch Abbüßung ihrer Jugendhaftstrafe im Gefängnis bleiben, wenn Gutachter und Richter das entscheiden.

Die genaue Zahl ist unbekannt, doch es gab in den letzten Jahren tatsächlich Sexualmörder, die in Jugendhaft saßen und dann erneut töteten. Gabriela Karl hat das schmerzlich erlebt. Ihre Tochter Stephanie wurde 1995 von einem jungen Wiederholungstäter ermordet. Zusammen mit ihrem Mann gründete die Mutter den Verein "Opfer gegen Gewalt", der sich für härtere Strafen und mehr Opferschutz einsetzt.

Wiedereingliederung vs. Schutz

Die Sicherungsverwahrung für Erwachsene wurde von den Nazis eingeführt. Damals wurde sie missbraucht, um tausende Wiederholungstäter auch für kleinere Verbrechen wie Diebstahl und Hehlerei bis zu zehn Jahre zusätzlich zur eigentlichen Strafe hinter Gittern zu halten. In der Bundesrepublik spielte die Sicherungsverwahrung eine gänzlich andere Rolle. Im Gegensatz zum strafrechtlichen Vollzug, in dem Resozialisierung und Sühne im Vordergrund stehen, dient die Sicherungsverwahrung, die zum Gefahrenabwehrrecht gehört, fast ausschließlich dem Schutz der Gesellschaft. Bis zum Ende der Achtziger Jahre kam sie kaum noch zur Anwendung, da der Resozialisierungsgedanke im Vordergrund stand. Mitte der Neunziger Jahre berichteten die Medien verstärkt über Sexualstraftaten. Die Angst stieg, obwohl die Anzahl der Fälle sank. Seitdem wurde das entsprechende Gesetz dreimal verschärft. Nun ist es möglich, Strafgefangene auch ohne ausdrücklichen Vorbehalt im Urteil nach Verbüßung der Strafe zu verwahren. Bei Jugendlichen ist Sicherungsverwahrung bisher nicht möglich. Zu resozialisieren ist hier wichtiger als zu bestrafen. Schon jetzt gibt es die Möglichkeit, psychisch kranke, auch jugendliche Täter auf unbestimmte Zeit in geschlossenen Heilungsanstalten, dem Maßregelvollzug, unterzubringen. Gesunde Jugendliche hingegen, die zu Rückfalltaten neigen, werden im normalen Jugendvollzug untergebracht. Ist die Strafe verbüßt, gibt es keine Möglichkeit, sie länger in Verwahrung zu behalten. Sie sollen während des Gefängnisaufenthalts an Therapien teilnehmen. Die Plätze sind allerdings knapp, oft dauert es Monate, bis ein Platz frei wird. Und: Es gibt Täter, die sich weigern, teilzunehmen.

Gabriela Karl befürwortet, dass die Sicherungsverwahrung für Jugendliche möglich wird: "Es gäbe endlich ein Mittel, diese Jugendlichen zur Therapie zu zwingen." Eines der großen Defizite der bisherigen Praxis sei gewesen, dass junge Straftäter die Angebote zur Therapie einfach hätten ignorieren können. "Jetzt müssen sie, sonst kommen sie nicht mehr raus." Aber genau das sei das Problem, sagt Michael Herwartz, Bewährungshelfer in Kerpen bei Köln. "Würde man gesunden, aber gefährlichen jungen Schwerverbrechern mit unbegrenzter Haft drohen, könnte sie das dazu bringen, in Therapien Behandlungsfortschritte zu simulieren. Es kommt zu Ängstlichkeit und Blockade. "So können Scheintherapien entstehen."

Der Versuch, Jugendliche mit offener Haftdauer zu Fortschritten zu zwingen, ist nicht neu. Bis 1990 konnten die Gerichte junge Straftäter zu einer "Jugendstrafe von unbestimmter Dauer" verurteilen. Der auch als "Gummiparagraph" bezeichnete Passus wurde wegen Erfolglosigkeit gestrichen: Schon 1987 waren nur noch 0,1 Prozent der verhängten Jugendurteile von offener Dauer.

"Manchmal ändert sich nur der Aufkleber auf der Zellentür"

Jörg Schewe ist Rechtsanwalt in Hamburg und hat über die Sicherungsverwahrung bei Erwachsenen in Deutschland promoviert. Er kritisiert den Umgang mit den derzeit etwa bundesweit 300 Verwahrten: "Es bringt nicht viel, Menschen nach Verbüßung ihrer Strafe weiter wegzusperren, ohne dass sich der Alltag dabei verändert." Leider sei dies aber oft der Fall. "Manchmal ändert sich nur der Aufkleber auf der Zellentür, sonst bleibt der Vollzug derselbe. Teilweise sind die Sicherungsverwahrten sogar in den selben Trakten wie normale Strafgefangene untergebracht." Das sei nicht hilfreich bei der Resozialisierung. Die Sicherheitsverwahrten bekämen oft ein Verständnisproblem, das zu erhöhtem Frust führe. "Sie verstehen, dass sie bestraft werden, aber nicht, dass sie nach Verbüßung der Freiheitsstrafe weiterhin im Vollzug bleiben – und zwar erstmal unbefristet."

Jugendliche Verurteilte nach Absitzen ihrer Strafe hinter Gittern zu behalten, soll uns vor Rückfälligen schützen und die Täter in die Lage versetzen, später wieder ein normales Leben unter Menschen zu führen. Man erwartet ausführliche Analysen über die Rückfallanfälligkeit junger Täter, vielleicht auch wissenschaftliche Studien. Aber nein: Im Bundesjustizministerium existiert keine Statistik darüber, wie viele Jugendliche, die Schwerverbrechen begangen haben, in der Vergangenheit rückfällig geworden sind. Die Berater der Politiker, die die Sicherungsverwahrung fordern, müssen ihre Informationen woanders hernehmen.

Vielleicht vom Kiosk? Eine Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN) sagt Wichtiges dazu: Die Menschen haben Angst. Die Deutschen glauben, die jährliche Rate der Sexualmorde habe sich um 260 Prozent erhöht. In Wirklichkeit ist sie gesunken, von 81 im Jahr 1993 auf 26 vor zwei Jahren. Auch die Jugendkriminalität ist nicht so ausgeufert wie gefühlt: Mitte der Neunziger Jahre stieg sie stark an, ist seitdem aber wieder leicht gefallen. Kein Grund zur Freude, aber auch keiner zur Panik. Einigen Medien ist das Thema trotzdem regelmäßig einen Aufmacher wert: "Psycho-Ärzte ließen Killer laufen", "Kinderschänder ließ sich Opfer aus Bulgarien kommen" oder "Bei Ausgang Doppelmord" mögen Auflage bringen, sie erzeugen beim Leser aber Angst und ein Gefühl von Bedrohung. Empfangene Botschaft: An jeder Ecke lauert ein Tierquäler, Vergewaltiger, Mörder. So kommt ein Kreislauf in Gang, der kaum zu stoppen ist und der möglicherweise auch Gutachter, die die Jugendlichen beurteilen sollen, beeinflusst. "Das Thema Sicherungsverwahrung wird von vielen Politikern häufig populistisch eingesetzt", sagt Schewe. Nach solchen in den Medien aufbereiteten Fällen steigern Politiker ihre Umfragewerte, wenn sie härtere Strafen fordern. Das funktioniert fast immer und entfernt die Diskussionen mehr und mehr von der Realität. Unter solchen Bedingungen kann man sich ruhig fragen, ob es bei der Sicherungsverwahrung für Jugendliche wirklich auch um Resozialisierung geht. Oder ob sich der Staat hier anmaßt, das Bedürfnis seiner Bürger nach Rache zu befriedigen.

Vielleicht hätten wirklich Menschenleben gerettet werden können, wäre die Gesetzesänderung, um die es geht, bereits in Kraft. Die kommende Regierung aus SPD und CDU will die Sicherungsverwahrung auch für 14- bis 18-jährige Straftäter möglich machen. Rückfallgefährdete Jugendliche könnten dann nach auch Abbüßung ihrer Jugendhaftstrafe im Gefängnis bleiben, wenn Gutachter und Richter das entscheiden.

Die genaue Zahl ist unbekannt, doch es gab in den letzten Jahren tatsächlich Sexualmörder, die in Jugendhaft saßen und dann erneut töteten. Gabriela Karl hat das schmerzlich erlebt. Ihre Tochter Stephanie wurde 1995 von einem jungen Wiederholungstäter ermordet. Zusammen mit ihrem Mann gründete die Mutter den Verein "Opfer gegen Gewalt", der sich für härtere Strafen und mehr Opferschutz einsetzt.

Wiedereingliederung vs. Schutz

Die Sicherungsverwahrung für Erwachsene wurde von den Nazis eingeführt. Damals wurde sie missbraucht, um tausende Wiederholungstäter auch für kleinere Verbrechen wie Diebstahl und Hehlerei bis zu zehn Jahre zusätzlich zur eigentlichen Strafe hinter Gittern zu halten. In der Bundesrepublik spielte die Sicherungsverwahrung eine gänzlich andere Rolle. Im Gegensatz zum strafrechtlichen Vollzug, in dem Resozialisierung und Sühne im Vordergrund stehen, dient die Sicherungsverwahrung, die zum Gefahrenabwehrrecht gehört, fast ausschließlich dem Schutz der Gesellschaft. Bis zum Ende der Achtziger Jahre kam sie kaum noch zur Anwendung, da der Resozialisierungsgedanke im Vordergrund stand. Mitte der Neunziger Jahre berichteten die Medien verstärkt über Sexualstraftaten. Die Angst stieg, obwohl die Anzahl der Fälle sank. Seitdem wurde das entsprechende Gesetz dreimal verschärft. Nun ist es möglich, Strafgefangene auch ohne ausdrücklichen Vorbehalt im Urteil nach Verbüßung der Strafe zu verwahren. Bei Jugendlichen ist Sicherungsverwahrung bisher nicht möglich. Zu resozialisieren ist hier wichtiger als zu bestrafen. Schon jetzt gibt es die Möglichkeit, psychisch kranke, auch jugendliche Täter auf unbestimmte Zeit in geschlossenen Heilungsanstalten, dem Maßregelvollzug, unterzubringen. Gesunde Jugendliche hingegen, die zu Rückfalltaten neigen, werden im normalen Jugendvollzug untergebracht. Ist die Strafe verbüßt, gibt es keine Möglichkeit, sie länger in Verwahrung zu behalten. Sie sollen während des Gefängnisaufenthalts an Therapien teilnehmen. Die Plätze sind allerdings knapp, oft dauert es Monate, bis ein Platz frei wird. Und: Es gibt Täter, die sich weigern, teilzunehmen.

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