Wenn jemand eine Mahlzeit zu einem zu hohen Preis verkauft, ist das seine Sache. Oder?
Selim Özdogan
Fast erwachsen
Baños ist ein Touristendorf in Ecuador, zu dem in unserem Reiseführer Sätze stehen, die mich belustigen, wie zum Beispiel: Nicht wenige ausländische Besucher ziehen Klima und Gelassenheit des 15.000-Seelen-Städtchens in ihren Bann, so dass sie länger als geplant verweilen, vielleicht in die Sprachschule gehen oder Salsa lernen, Postkarten schreiben oder gleich ein ganzes Buch.
Gleich ein ganzes Buch. Na klar.
Zum Café Ali Cumba steht dort: "....der absolute Hammer sind die ofenfrischen Muffins." So was möchte ich eigentlich nicht in einem Reiseführer lesen und Menschen, die in fremden Ländern nach Muffins, Pizza, Fritten, Hamburger, Nutella und Zwiebelrostbraten Ausschau halten, finde ich meistens mehr als seltsam.
Wenn ich einen guten Muffin bekomme, esse ich dennoch, verstehen wir uns nicht falsch, aber er trägt einfach nicht zur Qualität der Reise bei. Und ich würde ihn auch nie erwähnen.
Einige Schritte vor diesem Café fängt uns eine europäisch aussehende Frau Ende Vierzig mit breiten Hüften ab. Sie beginnt auf englisch auf uns einzureden, ob wir nicht in ihre Stube kommen wollen, sie hätte ja dies und das und nochwas. Sie spricht viel und schnell und wir wollten uns das Angebot eh ansehen. Drinnen gibt es genau eine Sorte Muffin, nämlich mit Banane. Er kostet 2$.
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In Ecuador kann man für den Preis ein komplettes Mittagsmenü bekommen, Suppe, Hauptspeise plus ein Getränk. Der zweitteuerste Muffin, den wir gesehen haben, kostete 1,25$. Zudem mag ich keine Bananenmuffins. Danke, sagen wir höflich und gehen wieder.
Draußen holt uns nach einigen Schritten, die Dame, der der Laden offensichtlich gehört, ein. Sie ist Dänin, wie wir später erfahren.
Ob wir glauben, das sei teuer, fragt sie uns aufgebracht auf englisch.
Ja.
Sie beginnt uns aufzuzählen, was es sie kostet, den Muffin zu machen und daß sie eine Familie zu ernähren hat, daß das Leben nicht leicht ist, daß ihre Gewinnspanne gerade mal einen Dollar beträgt. Und das alles in einem Ton, als hätten wir keine Ahnung von der Realität. Als hätten wir ihre Lebensberechtigung in Frage gestellt und ihre gesamte Sippschaft auf siebzehn Generationen mit einem unumkehrbaren Fluch belegt.
Du kannst ja für den Muffin nehmen, was du möchtest, sage ich ihr, aber da wendete sie sich schon ab und geht in eine andere Richtung.
Bist ja frei, sage ich, aber ebenso sind wir frei zu kaufen, was wir wollen.
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Sie geht weiter und reagiert nicht.
Warum redest du nicht mit mir? rufe ich ihr hinterher.
Es ist als würde man auf einen Knopf drücken. Menschen, die einen ankeifen und dann einfach so stehen lassen, weil sie zu feige oder zu sonstwas sind für eine wirkliche Konfrontation, regen mich maßlos auf.
Fuck you, brülle ich über die Straße.
Das bin ich, 37 Jahre alt, wahrscheinlich mehr Bücher als Postkarten geschrieben, fast schon erwachsen, stehe ich in Baños, Ecuador auf der Straße und brülle Fuck you durchs halbe Dorf, weil mich eine geistesgestörte Dänin ignoriert.