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Egoismus

Eine Freude machen

An einer Straße hat ein Blinder Mundharmonika gespielt, die hab ich gar nicht gesehen, weil die so klein war. Ich habe gesagt: Ich komm wieder nach Jamaika und bring dir 'ne große Mundharmonika mit.

Das erzählt Stefan Hentschel und nur zwei Seiten weiter beschreibt er, wie er sein Versprechen gehalten hat. Der alte Mann heult vor Freude und Hentschel erwischt auch einen Zipfel dieses Glücks. Wahrscheinlich, weil er diese Freude bereitet hat. Stefan Hentschel, der Zuhälter, der Mann, der in den Achtzigern ein Pate auf dem Kiez in St.Pauli war, ein Mann, für den Frauen an guten Tagen mehr als einen Tausender verdienten.

Klar, dachte ich im beim Lesen, der muß sich beweisen, daß er ein guter Kerl ist. Und was macht das für den Blinden schon für einen Unterschied, woher das Geld für die Mundharmonika kommt? Und daß in Hamburg alle ein ganz anderes Bild von diesem herzlichen Mann haben?

Aber dann habe ich mich gefragt: Wie oft macht man das wohl selber? Etwas Gutes, um sich und anderen zu beweisen, daß das Gute in einem steckt. Wie sehr freut man sich, weil man Urheber der Freude ist, weil die Eitelkeit geschmeichelt wird?

Vielleicht ist es nicht oft so, aber es kommt sicherlich vor, bei dem einen mehr, bei dem anderen weniger. Ich selbst habe schon am Bett einer Todkranken gesessen in einer Zeit, als es von einigen Seiten hagelte, mein Egoismus sei kaum noch erträglich. Die Wahrheit ist wohl: Ohne diese Vorwürfe wäre ich nicht zwei Stunden gefahren, um jemand eine Freude zu machen, den ich nur einmal gesehen hatte. War Utas Vergnügen deswegen schmaler? Man kann nicht in die Menschen hineinsehen, sie hatte keine Ahnung. Aber selbst wenn sie eine Ahnung gehabt hätte: Wäre es nicht auch nur Egoismus, sich zu wünschen, meine Entscheidung sei nur durch sie und nichts anderes beeinflußt?

Diese ganze Welt scheint mir immer verheddert, da jeder sie anders sieht und keiner zweifelsfrei zwischen richtig und falsch unterscheiden kann, weil keiner weiß, wie sie beschaffen ist, die sogenannte Realität, die angeblich für alle gilt.

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