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Stimmen im Kopf

Meine Schuld

Erst denken, dann reden! Wie oft hat euch jemand diesen Satz an den Kopf geworfen? Ich habe ihn erfunden.

An manche Dinge kann man sich noch erinnern, aber man versteht sie längst nicht mehr. Vielleicht hat man sie auch nie verstanden.

Meine Lieblingskindergärterin änderte bald nachdem ich eingegärtnert wurde, ihren Nachnamen und kurz darauf hörte sie ganz auf zu arbeiten. Sie war aber noch da, als ich eines Tages ganz in blau angezogen ankam. Ich kann nicht viel älter als drei Jahre gewesen sein, allerhöchstens vier. Ich weiß nicht mehr genau, was ich getragen habe, nur dass alles blau war und dass sie eine Bemerkung darüber machte, wie gut das aussah.

Ich kann mich an den Wortlaut auch nicht erinnern, aber ich dachte so etwas wie: Die Schuhe sind neu, die hat mir meine Tante geschenkt.

Es kann auch irgend etwas Anderes gewesen sein, aber es hatte mir meiner Kleidung zu tun und ich dachte den Satz zuerst. In aller Ruhe. Als ich ihn zu Ende gedacht hatte, machte ich den Mund auf und sagte ihn laut.

Woran ich mich heute noch genau erinnere, war, dass ich erstaunt war, dass ich den Satz vorher genauso gedacht hatte, wie ich ihn dann sagte. Vielleicht denken Kinder kaum darüber nach, was sie sagen. Vielleicht hatte ich es auch schon oft getan, aber es fiel mir an diesem Tag zum ersten Mal auf.

Ich hatte das Gefühl, als sei gerade etwas Großes und Wichtiges passiert. Als hätte ich etwas entdeckt. Chuck Palahniuk schreibt in einem Buch: "Als ich mir das erste Mal einen runtergeholt habe, dachte ich, ich hätte das erfunden. Ich habe mir diese feuchte handvoll Schleim angesehen und gedacht: Das wird mich eines Tages reich machen."

So kam ich mir vor. Ich war noch nicht verdorben durch Geld und Sex, aber es war, als könne die ganze Welt mit dieser Entdeckung ihre Richtung ändern.

Ich überlegte mir, ob ich vielleicht öfter die Sätze denken sollte, bevor ich sie sagte. Ob ich dann überlegener wäre. Weil ich schon genau wusste, was kommt, aber die anderen noch nicht.

Das erkläre ich alles heute so. Damals mögen meinen Gedanken andere gewesen sein. Alles, was ich mit Sicherheit weiß, ist dass ich bass erstaunt war über diese Verzögerung zwischen Kopf und Mund. Eine Entdeckung so elementar wie die Einsicht, dass Mädchen keine Jungs sind.

Manchmal habe ich den Eindruck, dass es damals das erste Mal war, dass ich meinen Verstand zwischen mich und die Welt schaltete. Ich möchte nicht wieder Kind sein, aber ich glaube seitdem ist es immer schlimmer geworden.

Die besten Momente sind immer noch die, in denen das Geplapper im Kopf einfach aufhört.

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