Wer etwas schaffen will, muss glühen. Mit der Hoffnung auf Ruhm und einen Plattenvertrag hat das nichts zu tun
Von Selim Özdogan
In den letzten Jahren habe ich viele Menschen kennen gelernt, die etwas erschaffen wollten, das sich irgendwie als Kultur verkaufen lassen könnte, Bücher, Platten, Filme, Theaterstücke. Ein Grund sich für so einen Weg zu entscheiden ist sicherlich Eitelkeit, ein weiterer ein gesteigertes Bedürfnis nach Aufmerksamkeit. Aber das zusammengenommen ist wenig. Fast nichts.
Bei vielen von diesen Leuten habe ich zwar verstanden, warum sie schreiben, singen, filmen, rappen wollten, aber ich konnte nicht sehen, dass sie brennen. Dass die Kultur nicht nur ein Mittel ist, um etwas Anderes zu bekommen: Ruhm, Geld, Aufmerksamkeit, Sex, ein größeres Ego, ein leichteres Leben.
Und dennoch habe ich mich nie auf meinen Eindruck verlassen. Ich glaube, mir sieht man das auch nicht an. Oder möglicherweise brenne ich selber nicht - wer weiß?
Ich habe einen entfernten Bekannten, dem ein Label gehört. So kam es, dass ein ein Musiker auf meiner Couch saß, den ich vorher nicht persönlich kannte. Der Kontakt kam über eine Ecke zu Stande und der Musiker wollte, dass ich seine Demo-CD meinem Bekannten schickte.
Wir saßen da, unterhielten uns und ich begann ihn zu mögen, weil er in meinen Augen brannte. Lichterloh.
Er sagte: Der Typ, dem das Tonstudio gehört, meinte, er hätte so etwas noch nie gesehen. Ich bin die ganze Zeit voll da, ich bin auf Adrenalin und ich kann eine Stecknadel auf einen Wattebausch fallen hören. Nicht weil ich angeben will oder hysterisch bin, oder weil ich so toll wäre, nein, weil es mir verdammt noch mal ernst ist.
Ich fragte ihn, bei welchen Labels das Demo noch liege und er erwähnte in einem Nebensatz, dass er eh nicht an eine Veröffentlichung glaube.
Bitte? So ein Feuer, so eine Liebe, so ein Drang und dann kein Glaube?
Weißt du, sagte er, ich habe mir so viele Hoffnungen gemacht in meinem Leben und es hat zu nichts geführt. Hoffnung bedeutet nichts. Es ist ja nicht die Hoffnung, die mich in den Probenraum treibt, es ist ja nicht die Hoffnung, die mich ins Studio bringt, es ist nicht die Hoffnung, die mich auf die Bühne drängt. Es ist die Musik.
Es ist leicht so zu reden, wenn du zwanzig bist. Es ist erheblich schwerer, wenn du vierzig bist und deine Miete kaum zahlen kannst.
Und gleichzeitig hat er keine Wahl, glaube ich. Eine Alternative gibt es nicht. Das meine ich mit brennen.
Wenn man nicht mehr wagt zu hoffen, aber etwas besitzt, das mehr wert ist als Hoffnung, dann müssen es vielleicht die anderen für einen tun.
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Ich hoffe. Ich hoffe, dass Amri Pardo einen Plattenvertrag bekommt.