Selim
Harte Arbeit für ein leichtes Leben
Selim nicht der einzige, der faul ist. Er fällt dabei nur stärker auf
Von Selim Özdogan
Da ich Freiberufler bin, entsteht schon mal der Eindruck, ich würde kaum arbeiten. Die Nachbarn sehen mich stundenlang auf dem Balkon liegen, in die Sonne blinzelnd und Musik hörend. Wenn im Yoga-Center kurzfristig eine Vertretung gebraucht wird, rufen die bei mir an und ich sage ich oft ja. Wenn meine Mutter Geburtstag hat, geht sie davon aus, daß ich mir ja ruhig mal frei nehmen kann. Wenn ein Freund in der Gegend zu tun hat, vermutet er ganz selbstverständlich, daß ich Zeit habe, mich mit ihm zu treffen.
Ich lese viel und es gibt auch Phasen, in denen ich viele Filme sehe. Jeden zweiten Tag bin ich im Supermarkt und wenn mir alles zuviel wird, verbringe ich auch mal einen halben Tag in der Sauna. Oder lasse im Sommer alles liegen und fahre an den See.
Das alles führt dazu, daß es manchmal eben den Anschein hat, ich würde nicht viel arbeiten und ich weiß, daß es Menschen gibt, die mich beneiden um dieses Leben, das mir so einiges an Disziplin abverlangt, was aber nicht sofort sichtbar ist.
Ab und an sitze ich dann hier und schreibe Newsletter, um meine Leser darüber zu informieren, was ich so zur Zeit treibe und wo ich lese und was es Neues von mir gibt und so. Einige der Leute, die sich in meinen Newsletterverteiler eingetragen haben, haben dort ihre Geschäftsadressen angegeben. Kann ich verstehen, in die privaten Mails schaut man möglicherweise seltener rein. Aber irgendwie habe ich das Gefühl, daß diese Leute auf der Arbeit auch privat im Netz surfen. Was auch noch okay ist, doch es gibt eine Sache, die mir echt zu denken gibt.
Wenn die Menschen nicht im Büro sind, haben sie ja fast immer diese automatischen Antworten eingeschaltet, die erzählen, wann sie wieder erreichbar sein werden und an wen man sich in dringenden Fällen wenden kann. Ich schicke den Newsletter raus und kurz danach habe ich so fünf bis zehn automatische Antworten, von Leuten, die nicht am Arbeitsplatz sind.
Einige dieser Namen kann ich auswendig, ehrlich, weil ich von denselben vier bis sechs Leuten regelmäßig diese automatischen Antwortmails bekomme. Da sind Menschen, die nie im Büro sind, wenn ich einen Rundbrief verschicke. Wahrscheinlich werde ich sie eines Tages kennenlernen. Ah, du bist also Francesca Hundertmark, die nie am Arbeitsplatz ist. Ich weiß nichts von den Leuten außer ihre Namen und ihre Abwesenheitsnotizen.
Ich bin nicht der einzige, der faul wirkt, es gibt so einige andere, aber die fallen in der Regel weniger auf.