Kolumne
Glaub an dein Talent
Passen die Schuhe, vegisst man die Füße: Mit Talent kommt man in dieser Welt nicht weit. Der Grund, weshalb VHS, Bush und Windows Erfolg haben, meint Selim Özdogan, muss ein anderer sein
Es gibt jede Menge Menschen da draußen, die unglaublich talentiert sind. Ich bin überzeugt davon. Sie können fantastisch singen, schreiben, malen, zuhören, rappen oder wasauchimmer. Den einen oder anderen kenne ich sogar persönlich.
Es gibt jede Menge Talent, aber das führt nicht immer zum Erfolg, man krepelt herum, beißt die Zähne zusammen, entwickelt Durchhaltevermögen und die Begeisterung für die Sache nimmt trotz alle Mißerfolge nicht ab. Ich habe Respekt davor.
Ich habe auch Respekt davor, daß man sich eine hoffnungsvolle Perspektive zurechtlegt. Man beginnt zu glauben, daß Qualität sich am Ende immer durchsetzt, daß echte Leidenschaft einfach mehr bedeutet als auf den Massengeschmack zu schielen, daß man sich Stück für Stück hochkämpfen muß, daß Penetranz auch zum Erfolg führen kann, daß man es jetzt erst recht allen beweisen will.
Nur glaube ich so langsam, daß all dieser Kram Humbug ist. Talent und Leidenschaft sind nicht aufzuwiegen, auch nicht mit Anerkennung, aber sie führen nicht zwangsläufig zu etwas. Das ist nicht die Welt, in der wir leben.
Warum hat sich damals VHS als Videosystem durchgesetzt, obwohl Experten sich einig sind, daß Beta das bessere Format ist? Warum ist Windows das weltweit am häufigsten genutzte Betriebssystem? Warum ist Bush wiedergewählt worden? Warum läuft Bektas immer noch ohne Plattenvertrag herum? Warum heißt ein Mobiltelefon auf deutsch Handy? Warum heißen neuerdings alle Superstar und können sich kaum ein Jahr lang halten?
Ich weiß nicht, was es ist, aber keinesfalls Qualität oder Leidenschaft oder Talent, was sich durchsetzt. Wenn du hier und heute irgend etwas kreierst, dann bist du immer gezwungen auch in einer Traumwelt zu leben. Weil es in der Realität oft genug so scheint, als wäre man nur von armseligen Wichser umgeben.