Markus
Kavkas Elektrische Zahnbürste
Markus Kavka putzt sich und denkt nach. Heute: Über das Berliner Liebesbiotop MTV
Ich bin ja auch Angestellter eines amerikanischen Großkonzerns. Als solcher bin ich sehr dankbar, dass hier bei MTV so viel Liebe in der Luft sein darf. Bei Wal-Mart gibt es diesbezüglich nun ebenfalls keine Probleme mehr. Das Düsseldorfer Landesarbeitsgericht hatte nach einer Klage des Wal-Mart-Betriebsrats diese Woche entschieden, dass die Anfang des Jahres erlassene Ethikrichtlinie gegen das Grundgesetz verstößt. In dem Papier hieß es unter anderem, Mitarbeiter dürften "nicht mit jemanden ausgehen oder in eine Liebesbeziehung mit jemanden treten, wenn sie Arbeitsbedingungen dieser Person beeinflussen können". In den Richtlinien waren auch "lüsterne Blicke, zweideutige Witze und sexuell deutbare Kommunikation jeder Art" untersagt. Außerdem sollte es eine Hotline des "Ethik-Büros" geben, über die Mitarbeiter Kollegen nennen sollten, die gegen Vorschriften verstoßen - auch anonym.
Ich guck jetzt grad mal so rum in unserem Großraumbüro und stelle fest, dass wir vermutlich den Sendebetrieb einstellen müssten, wenn es hier so ein Papierchen gäbe.
Nicht, dass man mich falsch versteht, MTV ist sicherlich kein Synonym für Sodom und Gomorrha, aber es ist nun mal so, dass hier gut 300 Leute zwischen 20 und 40 Jahren arbeiten, darunter nicht wenige Singles. Und so hat sich in diesen Räumlichkeiten ein gut funktionierendes Zwischenmenschlichkeitsbiotop entwickelt, das in den seltensten Fällen zu Problemen, in den meisten Fällen aber zu viel Spaß führt. Viele meiner Kollegen sind aus fremden Städten des Jobs wegen nach Berlin gezogen. Zwischen 9 und 10 Uhr morgens schlurfen sie aus Friedrichshain, Kreuzberg, Prenzlauer Berg oder Mitte hier her, sind dann zehn Stunden kreativ und gehen zwischen 7 und 8 abends wieder nach hause. Und weil die alten Freunde immer noch in Münster, München, Frankfurt, Magdeburg oder Köln wohnen, ist der Tag nach zwei, drei alkoholischen Getränken und ´ner Bestellpizza vor der Glotze meistens gelaufen.
Wenn da nicht all die lüsternen Blicke, zweideutigen Witze und sexuell deutbaren Kommunikationen (gerne per Mail) tagsüber gewesen wären, die nach einer Phase des Sondierens dann doch einmal dazu führen, dass man abends oder am Wochenende "mal einen trinken geht": Wo, wie und wann sollte man dann außerhalb dieses Mikrokosmos sonst jemanden kennen lernen, zumal, wenn man neu in der Stadt ist?
Stellenweise nimmt das Ganze aber auch groteske Züge an. Man "hat hier was miteinander", wenn Junge und Mädchen morgens zusammen zur Tür herein kommen (kann ja wohl kein Zufall sein...). Noch schlimmer: Zusammen in einem Auto kommen (kann ja wohl keine Fahrgemeinschaft sein...) oder in der Stadt gesehen werden (das war sooo klar...). Klar ist aber: Offizielle Paare kann man hier im Hause an einer Hand abzählen, die Dunkelziffer - wenn man Affären, Knutschen und anderen Kram mitrechnet - dürfte erheblich höher liegen.
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