KAVKA
Markus Kavkas elektrische Zahnbürste
Markus Kavka putzt sich und denkt nach. Heute: Über seinen Nachholbedarf in Sachen Einwanderung und Nähkurse, in denen man Deutsch lernt
"Es geht Ihnen wie das Land, in das Sie wollen: Sie haben noch
Nachbesserungsbedarf." So lautete das Fazit, nachdem ich den
Einbürgerungstest für Hessen probehalber gemacht habe. Wobei die Lösungen
sogar noch als Multiple Choice angeboten wurden. Probleme hatte ich
besonders bei Teil 6, Bundesstaat, Rechtsstaat, Sozialstaat.
Einwanderungswillige müssen besonders da den Eindruck haben, dass
Deutschland eine Ansammlung korinthenkackender Spaßbremsen ist und man hier
nur ein Leben überhäuft von Formularen führen kann. Oder aber sie denken,
dass sie ins Land der Superleuchten Einlass begehren, weil dieser Test ja
auch ein bisschen so tut, als würden die Menschen, die hier bereits leben,
die Fragen alle beantworten können. Derweil versucht Wikipedia, Leben zu
retten. Ein User stellte ein "Cheat Sheet", also den fast ganz gelösten
Fragebogen online, nicht ohne dabei noch nützliche Hinweise zu geben wie
z.B. den, bei der Frage nach bekannten deutschen Sportlern auf Ulrike
Meyfarth zu verzichten, denn die "könnte vom korrigierenden Beamten mit
Ulrike Meinhof verwechselt werden".
Keine Frage, der hessische Test ist eine reine Schikane, sein
baden-württembergisches Pendant ist darüber hinaus noch vorurteilsbeladen
und linkisch. Irgendwie wird man auch den Eindruck nicht los, dass
Ausländerpolitik in Deutschland nicht für Einwanderer, sondern für die hier
lebenden Wähler gemacht wird. Wie sonst wäre zu erklären, dass gerade in
(Landtags-)Wahlkampfzeiten das Thema noch zusätzlich mit Emotionen beladen
wird, dass Unions-Politiker plötzlich Feuer und Flamme für die
berühmt-berüchtigte "Nackt-DVD" aus den Niederlanden sind? Zur Erklärung:
Diese DVD wird bei unseren Nachbarn Einwanderungswilligen vor Ablegen des
obligatorischen Tests als Vorbereitung empfohlen. Für 63 EUR sieht man dann
in den ersten von insgesamt 105 Minuten zwei sich küssende Männer und
anschließend eine aus dem Meer watende, barbusige Frau. Sicher ist es
wichtig, darauf hinzuweisen, dass es in den liberalen, europäischen Kulturen
Dinge gibt, die beispielsweise Menschen aus islamischen Ländern anstößig
finden, wenn sie nicht sogar in ihren Heimatländern bei Strafe verboten sind
- sie allerdings so darzustellen ist dumpfe Provokation. Und dass gerade die
Pappenheimer aus dem konservativen Spektrum von CDU und CSU, die sonst am
lautesten gegen Homosexuelle wettern, nun so eine DVD auch für Deutschland
fordern, ist fast schon zynisch. Was soll da noch drauf? Das
Italien-Deutschland-Länderspiel in voller Länge? Eine Rede von Roland Koch?
Oder doch eher Grup Tekkan?
Klar, das Erlernen der deutschen Sprache ist die Grundvoraussetzung für den
Zugang zur neuen Heimat, da sollte man noch weit vor schikanösen Tests und
wahnwitzigen DVDs ansetzen. Dazu eine schöne Geschichte aus Berlin: Als hier
Deutschkurse für Araberinnen angeboten wurden, ließen die Männer ihre Frauen
nicht hingehen, weil Deutschkenntnisse die Frauen unabhängiger gemacht
hätten. Also, andere Idee: Nähkurse anbieten. Da durften sie hin. Aus dem
Nähkurs wurde der beste Deutschkurs, den man sich vorstellen kann.
Um noch einmal zum Hessen-Test und damit gleichzeitig zur vorletzten Kolumne
zurückzukommen: Meine Lieblingsantwort aus dem Wikipedia-Cheat-Sheet ist
jene auf Frage 8, ´Nennen Sie drei Gründe, warum Sie deutscher Staatsbürger
werden wollen´, bei der als Lösungsvorschlag steht: 1) Weil ich mir die
Hände schmutzig machen will. 2) Weil ich mein Land wie einen guten Freund
behandeln will. 3) Weil ich mit meinen Flügeln schlagen und Bäume ausreißen
will.
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