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Festivalsaison

Heeeelga!

Musikfestivals sind laut, schlammig, heiß oder verregnet. Alles kein Problem, so lang Dir niemand ins Zelt kackt. Tipps vom Profi

Am vergangenen Wochenende war ich mal wieder bei Rock am Ring. Es war bereits das elfte Mal in meinem Leben, und ich habe auch diesmal wieder alles gesehen. Deswegen gibt es hier und jetzt, getreu dem Motto „Lernen von den Alten“, einen kleinen Rundumschlag.

Zuerst mein wichtigster Tipp in Sachen Festivals: Nehmt ein Vorhängeschloss fürs Zelt mit. Und zwar nicht, um damit auszuschließen, dass euch jemand das Teil ausräumt, sondern um zu verhindern, dass – Achtung! – einer reinkackt! Ja, richtig gelesen. So und nicht anders erging es nämlich einem meiner Kumpel. Offenbar hatte jemand beschlossen, dass das nächste Dixiklo entweder zu weit weg, zu ungemütlich oder die Schlange davor zu lang ist – was läge also näher, als entspannt sein Häufchen in den Gemächern eines Fremden zu hinterlassen? Ist ja nicht persönlich gemeint, war halt nur gerade praktisch.

Diese kleine Episode sagt viel über den Mythos Festival aus. Ein Wochenende lang werden kollektiv alle Benimm- und Hygieneregeln über Bord geworfen. Stattdessen wird alles dem Spaß untergeordnet, nach beinahe archaischen Prinzipien wird ein Gemeinschaftsgefühl beschworen, das es, vielleicht mit Ausnahme der Fankurve im Fußballstadion, ansonsten in freier Wildbahn nicht mehr gibt.

Längst hat sich eine eigene Festivalkultur gebildet. Während früher die Menschen in erster Linie wegen der Bands hingegangen sind, wird das Ganze heute als Event begriffen, bei dem es fast egal ist, wer da gerade auf der Bühne steht. So manch einer hat noch nicht mal ein Ticket fürs Gelände, sondern genießt einfach als Zaungast die Atmosphäre auf dem Campingplatz.

Unbeteiligten ist dieser Hype ein großes Rätsel. Ihre meistgestellte Frage lautet daher: Warum tut sich jemand das alles an?

Den Dreck, die Enge, die Lautstärke, die Hitze, die Kälte, den Regen, den Gestank, die Besoffenen, die überzogenen Preise?

Antwort: Weil´s geil ist!

Denn wenn man die vermeintlich negativen Begleiterscheinungen eines Festivals mal Punkt für Punkt durch geht, wird man schnell feststellen, dass das eigentlich alles gar nichts ausmacht.

1. Der Dreck.

Anders als im Elternhaus oder der topgeführten WG will man auf Festivals gar nicht vom Boden essen können. Man muss auch nicht schick aussehen, schließlich tun alle anderen das ja auch nicht. Im normalen Leben wird man immer komisch angeguckt, wenn die Klamotten mit Schlamm vollgesaut sind, sich der Schmodder unter den Fingernägeln sammelt und man streng riecht. Dabei macht dreckig sein doch so viel Spaß, das war schon als Kind so. Sich im Schlamm rumzuwälzen hat was Befreiendes. Außerdem gibt es ja Waschmaschinen. Oder Müllcontainer, in denen man die komplette Garderobe einschließlich der Schuhe entsorgen kann.

2. Die Enge

Mal ehrlich: Was soll das denn für ein Festival sein, auf dem der Nebenmann meterweit von einem entfernt ist? Totaler Totentanz, braucht keiner. Das Erlebnis, vor der Bühne zu stehen, ist nur dann vollkommen, wenn zwischen dich und dem neben dir keine Briefmarke mehr passt. Andernfalls wären Stagediven und Crowdsurfen auch reichlich problematische Unternehmungen. Schuhabdrücke in der Fresse sind in diesem Zusammenhang auch kein Malheur und werden im Sinne einer Auszeichnung auch nicht abgewaschen.

3. Die Lautstärke

Wer kennt es nicht, das leidige Problem mit den Nachbarn, wenn man die Lieblingsband endlich mal in angemessener Dezibelzahl hören will? Da ist es doch ganz wunderbar, wenn man dann vor diesen Boxentürmen steht und einem die Hosenbeine flattern. Vorsicht ist natürlich geboten, wenn man links oder rechts vorne direkten Kontakt mit der Lärmquelle hat, aber für so einen Fall gibt es ja immer noch Ohrenstöpsel, die zu tragen entgegen vieler Annahmen nicht weicheierig, sondern vernünftig ist.

4. Die Hitze

Kommt gefühlt eher selten vor, aber auch dagegen kann man sich wappnen. Vielleicht nicht, indem man noch mehr Bier säuft, sondern eher mit ausreichend Wasserzufuhr, luftigen Klamotten, Sonnencreme, Kopfbedeckung und Taschenventilator. Auch hier gilt das goldene Motto: Lieber erstickt als erfroren. Und damit wären wir schon beim nächsten Punkt:

5. Die Kälte

Hier gilt: Es gibt kein falsches Wetter, sondern nur falsche Kleidung. Da spreche ich aus Erfahrung, seitdem ich damals bei Rock Am Ring die Wettervorhersage nicht ernst nahm und deswegen in meinem dünnen Sommerjäckchen bei 3 Grad und Schneeregen zu Radiohead gebibbert habe. Daher: Wetterbericht studieren und notfalls die Winterklamotten noch mal rausholen. Auch ein Polardaunenschlafsack kann Leben retten!

6. Der Regen

Tut mir leid, aber: muss sein. Woher würde sonst der Schlamm kommen, in dem man sich wälzen will? Die richtig legendären Festivals sind ohnehin die Schlammorgien, über die Schönwetterausgaben redet im Nachhinein kein Mensch. Außerdem fördert so ein tüchtiger Schauer zum einen das Gemeinschaftsgefühl, zum anderen spricht er urzeitliche menschliche Überlebens- und Abenteuerinstinkte an, so ganz nach dem Motto „Hier bin ich, und ich trotze allen Naturgewalten, um diese Band zu sehen!“ Bei Regen empfehle ich zudem ein deftiges „Scheiß Tribüüüüne!“ in Richtung überdachter VIP-Plätze.

7. Der Gestank

Hier greift die Regel: Wenn ich selbst stinke, macht mir der Gestank von allen anderen nichts. Duschen fällt also für drei Tage aus, es sei denn mit Bier. Zugegeben, bisweilen riecht es besonders in der Nähe der Dixikloreihen wie in einem Pumakäfig, vom Aroma in den Teilen drin wollen wir gar nicht erst reden. Aber hey, im Mittelalter gab es auch keine Spülung, und es verlangt ja keiner von einem, sich länger als nötig im Dixiklo aufzuhalten. Mit einmal ordentlich Luft anhalten haut das schon hin. Ist eh ratsam, sich zügig vom Acker zu machen, um nicht Opfer des derben Festivalstreiches „Klo umschmeißen“ zu werden.

8. Die Besoffenen

Klar nerven die, vor allem, wenn man selbst nicht besoffen ist. Ich weiß noch, wie ich bei Rock am Ring von einem torkelnden Typen aus einem auf seinen Rücken geschnallten Trinkschlauch eine goldgelbe, kohlensäurelose Flüssigkeit angeboten bekommen habe, von der ich bis heute nicht genau weiß, was es war. Apfelsaft fällt bei Festivals ja in der Regel aus. Ich hoffe mal, dass es abgestandenes Bier war. Wenn man das möchte, ist ein bisschen Alkohol schon in Ordnung. Zuviel rächt sich meistens. Entweder man verpasst seine Lieblingsband und/oder kotzt sich selbst ins Zelt.

9. Die überzogenen Preise

Längst überschreiten die Ticketpreise die 100€-Grenze, zusammen mit überteuerten Getränken und Junk-Food, plus noch ein bisschen Merchandise und der Anreise ist man schnell bei 300 Euro für ein Wochenende. In der Musikbranche sind Festivals die einzige Sache, die boomt. Deswegen wurden sie in den letzten Jahren auch zunehmend kommerzialisiert, professionalisiert und teurer gemacht, damit alle Beteiligten noch richtig Zaster verdienen können. Nüchtern betrachtet sind 100 Euro für hundert Bands und das Money-Can´t-Buy-Gemeinschaftsgefühl on top natürlich ein ordentliches Preis-Leistungs-Verhältnis, und so lange die Besucherzahlen nicht rückläufig sind, werden das auch die Veranstalter so sehen. Da heißt es also leider Augen zu und durch.

Am Schluss will ich noch einem weitverbreiteten Irrglauben den Garaus machen, nämlich: Backstage ist cool. Ist es überhaupt nicht. All den Leuten, die es als erstrebenswert erachten, hinter der Bühne rumzuhängen, kann ich nur sagen: Dort ist es arschlangweilig. Die Bands sind so lange unsichtbar, bis sie vor irgendeine Kamera gezerrt werden und Promo machen müssen oder eben auf die Bühne schlappen. Ansonsten sind alle in ihren Tourbussen oder hängen irgendwo am Buffet rum. Ihnen beim Essen zuzuschauen ist aber auch nicht sonderlich spannend. Außerdem ist der Sound hinter der Bühne beschissen.

In diesem Sinne: „Heeeeeeeeeeelga!“



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