Selim Özdogan
Borgen und Mopsen
Was soll man von Menschen halten, die Bücher über Spiritualismus klauen?
von Selim Özdogan
Borgen und mopsen
Vor Jahren, als ich noch Instrumente und Anlage in Konzerthallen trug, hatte ich einen Kollegen, der viel las, aber kaum Geld für Bücher ausgab. Bibliotheken mochte er nicht, da die nicht immer das da hatten, was er lesen wollte. Er ging einfach in den Buchladen und nahm das Buch seiner Wahl mit.
Ist kein Problem, sagte er, du steckst es in die Tasche und gehst raus, ist noch nie schief gegangen. Und ich habe auch nie Angst. Angst habe ich, wenn ich die Bücher zurückbringe. Ich gehe ja sehr pfleglich mit denen um, ich lese nicht draußen am See oder so, ich lese immer daheim und behandel die Bücher sorgsam. Wenn ich durch bin, stecke ich es in die Tasche, gehe in den Buchladen und stelle es zurück, an die richtige Stelle im Regal. Da ist dann nicht immer Platz, aber ich will es auch nicht falsch einordnen, davon hätte ja keiner was, das findet man dann ja nie mehr wieder. Deswegen ist es auch schwerer, die Bücher zurückzustellen. Jedes Mal denke ich: Wenn mich jetzt jemand dabei erwischt, wie ich ein Buch ins Regal stelle, dann kann ich echt nicht erklären, was ich da gerade mache.
Olaf ist nie erwischt worden, soweit ich weiß und auf eine Art habe ich ihm Bewunderung dafür gezollt. Ich fand ihn mehr Punk als jede Band, für die wir jemals Verstärker geschleppt haben.
Mehr als fünfzehn Jahre später stehe ich in einem Buchladen und frage nach einem Buch, das sie laut Computer da haben müssten, das der Buchhändler aber nicht finden kann.
Das hat wohl seinen Weg nach draußen in einer Tasche gefunden, sagt der Mann.
Passiert das oft? will ich wissen.
Ja, leider.
Und gibt es da auch eine Statistik, weiß man welches das meist geklaute Buch ist? will ich wissen.
Keine richtige Statistik, aber die Bestseller werden häufiger geklaut. Am meisten "Ich bin dann mal weg" von Kerkeling, das können wir direkt neben die Kasse legen, wo wir immer ein Auge drauf haben und es kommen dennoch in drei Tagen fünf Stück weg. Jetzt haben wir nur noch Dummys rumliegen.
Dummys? frage ich, weil ich denke, die Verlage geben möglicherweise schon Dummys für solche Fälle aus.
Doch es stellt sich heraus, daß sie nur das kopierte Cover des Buches auf weniger begehrte Titel draufpappen, mit dem Hinweis, daß es das Buch an der Kasse gibt.
Was den Drogerien Aufsteckbürsten und Rasierklingen sind, ist in dieser Buchhandlung ein Hardcover über eine Pilgerreise.
Lehrer und Bildungsbürger sind ja häufig von der Wichtigkeit des Lesens überzeugt. Es sei ein Armutszeugnis wie wenig heute gelesen wird, höre ich vor allem an Schulen immer wieder. Dabei macht Lesen keinen besseren Menschen aus einem, aber möglicherweise einen geschickteren Dieb.
Die Anzahl der deutschen Pilger auf dem Jakobsweg ist seit Erscheinen des Buches sprunghaft angestiegen. Wenn ich davon ausgehen, daß das Buch auch in anderen Buchläden ähnlich häufig gestohlen wird, dann müsste es eine Schnittmenge geben: Menschen, die das Buch gestohlen haben und dann auf diese spirituell orientierte Reise gehen.
Olaf hat nie geglaubt, daß man Gott hintergehen könnte.