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Integration

Der Typ, der mit allen klar kommt

Murat Topal war Polizist in Berliner Problemkiezen. Dann wurde er Comedian. Wie das kam, sagt er im Interview

Murat Topal, geboren 1975, war zehn Jahre lang Polizist in den Berliner Stadtteilen Kreuzberg und Neukölln. Sein Vater ist türkisch, seine Mutter deutsch. Manchmal wurde er gefragt: "Was denn nun, sind Sie Türke oder Polizist?" Seit drei Jahren ist Murat Topal hauptberuflicher Comedian. In der Initiatiave "Stopp Tokat!" kämpft er gegen das Abziehen.

Sie waren zehn Jahre lang Polizist. Vor drei Jahren haben Sie den Polizeidienst aufgegeben und sind seitdem Comedian. Wie kam es dazu?

Als Polizist erlebt man viel, nicht nur tragisches. Ich habe meine Geschichten Kollegen oder Freunden erzählt. Die fanden das recht unterhaltsam und sagten: Du musst auf die Bühne! Da überhört man ein paar Jahre lang, aber irgendwann haben sie mich überredet, auf eine offene Bühne in Berlin zu gehen – und das Publikum hat gelacht! Im ersten Jahr bin ich neben dem Polizeidienst aufgetreten; dann hatte ich ein abendfüllendes Programm zusammen. Ich habe 2005 zwei Jahre unbezahlten Urlaub genommen. 2007 musste ich mich entscheiden: Bühne oder Polizeirevier?

Ihre Programme Getürkte Fälle und Tschüssi Copski basieren auf Alltagsszenen?

Oft fragen Leute nach meiner Show, was denn jetzt auf der Realität beruhe. Alles, sage ich dann: Es sind Geschichten, die ich selbst erlebt habe. Sie alle haben einen wahren Ursprung und sind an sich unterhaltsam oder haben Potenzial, es durch humoristische Aufwertung auf die Bühne zu schaffen. Ich nenne das Reality-Comedy.

Brauchten Sie Humor für Ihren täglichen Polizeidienst?

Der Humor stand nicht im Vordergrund: Man braucht Ernsthaftigkeit, um den Polizeiberuf auszuüben. Manche Dinge, die man sieht, sind schlimm – und sie bleiben schlimm. Oft ist es aber leichter, das Leben mit einem Lächeln auf den Lippen zu nehmen. Das geht nicht nur Polizisten so: Humor kann immer helfen, Erlebtes zu verarbeiten.

Was war Ihr Aufgabenbereich bei der Polizei?

Ich war in einer geschlossenen Einheit, also bei Demonstrationen und Fußballspielen. Ich bin auf Streife gegangen – in Uniform, aber auch verdeckt in bürgerlicher Kleidung, zum Beispiel wenn es um Drogendealer ging.

Gibt es Parallelen zwischen Polizisten und Komikern?

Beide treffen auf viele Menschen und geraten in unabsehbare Situationen. Und beide sollten ein gewisses Maß an kommunikativen Fähigkeiten haben.

In Kreuzberg und Neukölln leben viele Migranten. Wie viele Sprachen sprechen Sie?

Deutsch, Türkisch, Englisch. Und ein paar Brocken Spanisch: Buenos dias, qué tal? Man kann sich immer verständigen, auch mit viel Fantasie.

Wie haben Sie das in Ihrem Alltag als Polizist nutzen können?

Ich war in Gefahr, den Eindruck zu erwecken, ich sei der, der mit allen klar kommt. Das war ein Ruf, der sich wie ein Lauffeuer verbreitete: Der Topal spricht verschiedene Sprachen. Dann hieß es immer: "Topal, Kundschaft!" Ich kann mich zwar nicht flüssig unterhalten, aber versuchen, eine gemeinsame Ebene zu finden. Ich spreche zum Beispiel kein Chinesisch, aber dann versucht man es halt mit Zeichensprache oder malt etwas auf.

Was kann bei der Polizei verbessert werden?

Die Bereitschaft, jemanden verstehen zu wollen. Man kann sich Mühe geben, auch wenn jemand nur gebrochen spricht. Dass diese Bereitschaft bei vielen fehlt, betrübt mich. Da heißt es oft: Amtssprache ist deutsch.

Sie engagieren sich ehrenamtlich bei "Stopp Tokat!" Was ist das für eine Initiative?

Tokat ist türkisch und heißt Abziehen. Wenn ein Jugendlicher einem anderen die Jacke klauen will, ruft er "Tokat!" Im Abschnittsbereich meines ehemaligen Dienststellenleiters gab es sehr viele solcher Fälle, und er fragte sich: Wie kann man das angehen? Er hat "Stopp Tokat!" mitgegründet. Eines Tages rief er mich an und fragte, ob ich die Initiative unterstützen wolle. Es sind auch andere bekannte Leute dabei, zum Beispiel der Boxer Cengiz Koc.

Und was tun Sie konkret?

Wir gehen in die Schulen und reden mit den Jugendlichen. Es ist ganz wichtig, sie zu sensibilisieren, was Abziehen eigentlich bedeutet: Die Jugendlichen selbst sehen das eher locker – aber Abziehen ist eine Raubstraftat, ein Verbrechen! Damit wird man nicht mal Kloputzer. Ich frage die Jugendlichen: Wisst ihr, was ihr dem Opfer antun? Und was ihr euch sich selbst antut, und euren Familien? Die Jugendlichen sagen oft: "Ich komme aus dem Ghetto, ich bin Ausländer, das ist normal." Ich antworte: "Wenn acht von zehn Straftaten von Hassan, Ali, Mehmet begangen werden, dann ist es schwierig, dem etwas entgegenzusetzen." Ich nehme mir raus, zu sagen: Nee! Was wollt ihr mir erzählen? Ich kann an meinem eigenen Beispiel aufzeigen, dass es anders geht – und anders gehen sollte.

In welcher Rolle begegnen Sie den Jugendlichen: als Comedian, Polizist oder großer Bruder?

Über Comedy kriege ich Zugang zu den Jugendlichen, viel leichter als in Uniform oder als Lehrer. Als Ex-Polizist kann ich sehr klar Fakten benennen. Aber am liebsten ist es mir, wenn das Gefühl des älteren Bruders aufkommt. Ich möchte den Jugendlichen etwas mitgeben, sie anregen. Ich weiß aber auch, dass man die nicht in zwei Stunden umkehren kann.

Wie kommen Sie mit den Jugendlichen ins Gespräch?

Ich konfrontiere sie mit sich selber. Ich nehme ihren Duktus an: "Is normal, was soll ich machen, isch komm aus Ghetto – da wirst eben Gangster oder gar nichts!" Ich nehme auch ihre Körperhaltung an, wenn auch nicht so extrem wie bei meinen Bühnenauftritten. Ich will die Jugendlichen ja nicht verarschen. Aber sie erkennen sich und die Situationen wieder.

Wie reagieren die Jugendlichen?

Das ist manchmal tragisch und komisch zugleich . Da kommen Jungs und fragen in vollem Ernst: "Wenn ich fünf oder sechs Vorstrafen habe, kann ich Polizist werden?" Ich muss dann leider nein sagen.

"Stopp Tokat!" existiert seit fast einem Jahr. Gibt es schon Erfolge?

Das Projekt ist noch sehr jung. Das Angebot besteht, aber leider kriegt die Initiative bisher eher wenig Zuspruch von den Schulen. Vielleicht ist sie noch nicht bekannt genug.

Vermissen Sie die Polizei?

Ich habe den Beruf nicht ungern gemacht. Ab und zu denkt man schon mal an den einen oder anderen Einsatz und die Erlebnisse mit den Kollegen zurück. Und an den Nachtdienst. Die Nacht hat ihren eigenen dienstlichen Charme – und ist am ergiebigsten.

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