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Win McCormack, der Autor des Buches
 
 


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Sexskandale

Der Reverend, der in Latex starb

Sie alle predigen Moral und Enthaltsamkeit. Doch konservative US-Politiker haben in mehr als hundert Fällen Ehebruch begangen oder Kinder missbraucht. Der Autor Win McCormack hat sie in einem Buch gesammelt.

Konservative amerikanische Politiker wollen Abtreibungen und die Homo-Ehe verbieten und fordern Abstinenz-Unterricht statt Aufklärung an Schulen. Das Lexikon, das Win McCormack vor Kurzem in den USA herausbrachte, reicht dagegen von „A“ wie „Adultery“ (Ehebruch) bis „Z“ wie „Zoology“ (hier: Sex mit Tieren).

„You Don’t Know Me. A Citizen’s Guide To Republican Family Values“ heißt das Nachschlagewerk, das über hundert Sexskandale von Republikanern und ihren Verbündeten aus der christlichen Rechten berichtet.

Der Titel ist ein Zitat des Senators Larry Craig, der seinen Wählern als Verfechter christlich-konservativer Familienpolitik bekannt war und einem männlichen Sexpartner einbläute: „Just remember, you don’t know me.“

Zuender: Mr. McCormack, Sie haben ein Nachschlagewerk über politische Sexskandale der amerikanischen Rechten geschrieben. Warum?

Win McCormack: Auf die Idee kam ich, als zwischen 2005 und 2007 von einem Republikaner nach dem anderen Skandale bekannt wurde. Oft ging es dabei nicht nur um Seitensprünge, sondern um sehr sonderbares Verhalten. Zum Beispiel: Ein Berater des konservativen Fernsehpredigers Jerry Falwell erstickte beim Masturbieren in seinen Latexklamotten. Und ein militanter Abtreibungsgegner gestand, Sex mit Tieren gehabt zu haben. Ich dachte mir: es könnte sich lohnen, da ein bisschen nachzuforschen.  

Zuender: In ihrem Buch schildern Sie brutale Verbrechen, wie den Fall eines Politikers, der seine Adoptivtöchter vergewaltigt hat. Immer wieder geht es aber auch um einvernehmlichen Sex zwischen Erwachsenen. Oder den erwähnten Masturbationstod. Ist das nicht Privatsache?  

Win McCormack: Es geht in meinem Buch um alle Formen des sexuellen Verhaltens, die gegen die Werte verstoßen, die diese Menschen predigen. Sie haben recht: Wäre da nicht dieser Widerspruch, gäbe es in vielen Fällen keinen Grund, sich damit zu beschäftigen.

Zuender: Können Sie das erklären?

Win McCormack: Der Soziologe Theodor Adorno argumentierte, dass es eine Beziehung zwischen unterdrückter Sexualität und autoritärer Regierungsführung gebe. Ich glaube, da ist was dran. Während der Recherche ist mir aufgefallen, dass Leute, die vehement gegen die Sexualität anderer vorgehen, ihrem eigenen Verlangen erliegen. Diese Republikaner predigen Familienwerte, aber sie verletzen sie selbst.

Zuender: Wir erinnern uns noch an Bill Clintons Monica-Lewinsky-Affäre. Erst vor kurzem ging der Seitensprung des Senators John Edwards durch die amerikanischen Medien. Beide sind Demokraten. Warum haben Sie diese Partei nicht mit aufgenommen?

Win McCormack: Es gibt zwei Gründe: Einerseits geißeln die Demokraten nicht andere, die nicht gemäß der „Familienwerte“ leben – es herrscht  bei ihnen also nicht dieselbe Verlogenheit. Andererseits stehen über hundert Fällen in meinem Buch. Nur zwanzig davon betreffen Seitensprünge. 46 von 110 sind Fälle von sexuellen Handlungen mit Kindern.

Zuender: Verlogenheit gibt es auch bei Demokraten. Der New Yorker Gouverneur Elliot Spitzer hat sich ein Renomee damit aufgebaut, aktiv gegen die in seinem Staat illegale Prostitution vorzugehen – im März flog auf, dass er selbst Prostituierte besucht.

Win McCormack: Stimmt, Elliot Spitzer passt perfekt in das psychologische Profil – obwohl  er ein Demokrat ist.

Zuender: Ist das nicht ein Verhalten, das vielleicht grundsätzlicher mit Macht – und Menschen die nach Macht streben – verbunden ist?

Win McCormack: Nun, man kann Macht nur missbrauchen, wenn man sie hat. Und dann gilt, was John Edwards neulich so treffend sagte: Man beginnt zu denken, dass man alles machen kann, was man will. Dazu passt, dass die Art Republikaner, um die es in meinem Buch geht, frühestens seit 1994 im Kongress sitzen. Vorher waren die radikalen Konservativen um Newt Gingrich nie mächtig. Es ist ein bisschen wie mit den Eskimos, die keinen Alkohol kennen. Und wenn sie das erste Mal trinken, werden sie verrückt.

Zuender: Ihr Buch ist kurz vor der Präsidentschaftswahl am 4. November erschienen. Mutmaßen Sie mal: werden der Republikaner-Kandidat John McCain und seine Vize-Kandidatin Sarah Palin in der zweiten Auflage ihres Buches enden?

Win McCormack: Ich weiß nichts von Fehltritten Sarah Palins, aber scheinheilig ist auch sie: Sie hat eine schwangere Tochter und war selbst schwanger, bevor sie geheiratet hat. Gleichzeitig lehnt sie ab, dass öffentliche Gelder für die Prävention von Jugendschwangerschaften verwendet werden. Palin befürwortet, dass in Schulen Enthaltsamkeit unterrichtet wird – obwohl weder sie noch ihre Tochter enthaltsam waren.

McCain hatte eine Reihe von Affären, nachdem er aus Vietnam wiederkam und noch verheiratet war. Ich habe mich aber dagegen entschieden, diese Fälle in das Buch aufzunehmen. Ich habe ein Auge zu gedrückt, schließlich war McCain gerade erst aus sechs Jahren in Kriegsgefangenschaft und Folter zurück gekehrt.

Zuender: Es sind fast keine Frauen in Ihrem Buch zu finden. Sind Frauen die besseren Führungspersönlichkeiten?

Win McCormack: Das wird sich zeigen, wenn Frauen erstmal Macht haben und verlässliche Vergleichsdaten vorliegen. Manche Leute sagen, dass Frauen einfach weniger unvorsichtig sind als Männer. Andererseits gab es in den vergangenen Jahren eine Reihe von Lehrerinnen, die sexuelle Affären mit minderjährigen Schülern eingingen. Pädophilie betrifft also nicht nur Männer.

Zuender: Ist es nicht verrückt, dass wir heutzutage soviel über das Sexualleben anderer Menschen wissen? Von John F. Kennedy hieß es auch, er habe Affären gehabt. Aber die Presse behielt das damals für sich.

Win McCormack: Das stimmt. Als ich 18 Jahre alt war, war mein Bruder Reporter einer Nachrichtenagentur in Washington. Sein Chef hatte ihm von all den Frauen erzählt, die bei Kennedy ein- und ausgingen. Ich wollte das damals nicht glauben: Der Präsident der Vereinigten Staaten würde doch sicher keine Zeit für Frauengeschichten haben!

Die Presse verhielt sich damals diskret. Was nicht kriminell oder gefährlich war, wurde nicht öffentlich thematisiert. Das änderte sich 1988, als Gary Hart Präsidentschaftskandidat der Demokraten werden wollte. Er lud die Presse ausdrücklich in sein Privatleben ein – und wurde dann mit seiner Geliebten erwischt. Damals sind die Dämme zwischen Privatsphäre und Öffentlichkeit gebrochen. Danach kam Bill Clintons Lewinsky-Affäre.

Wissen Sie, jetzt werde ich auch scheinheilig klingen: Aber ich glaube, es war damals besser.

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