politik  
 
     
//ZUENDER//
 
 


//Zitate-Blog//

Zitat des Tages

Es wird viel gesagt, wenn der Tag lang ist. Und es gibt viele lange Tage »

 

//Kochblog//

Rezeptor

Unser Topf soll schöner werden? Das Zuender-Kochblog hilft »

 

//Spielen//

Wir wollen Spaß

Kommt ins Bälleparadies – alle Spiele vom Zuender gibt es hier »

 

//Newsletter//

Post von Zuenders

Was gibt es neues aus der Redaktion? Unser Newsletter informiert Dich an jedem ersten Donnerstag im Monat. Hier anmelden »

 
//ZUENDER//

Thailand

Revolutionsspaziergang

In Bangkok herrscht Ausnahmezustand. Oppositionelle wollen die Regierung stürzen. Ein Demo-Besuch mit einer Aktivistin, die erklärt: Das passiert hier häufiger.

Ein Meer aus thailändischen Flaggen weht in den Straßen von Bangkok, Demonstranten in gelben T-Shirts halten Banner in die Luft und applaudieren dem Sprecher, der lautstark in die Menge schreit. Seit Tagen herrscht hier der Ausnahmezustand. Maskierte Anhänger der oppositionellen Volksallianz für Demokratie (PAD) haben, bewaffnet mit Golfschlägern, Steinschleudern und antiken Schilden, das Regierungsgebäude gestürmt und einen Regierungssender besetzt. Trotzdem ist in den Straßen Stadtfestatmosphäre. Kleine Straßenküchen versorgen sowohl Demonstranten, als auch Polizisten. Straßenhändler verkaufen T-Shirts auf denen "Ich hole mir mein Land zurück" steht. Dabei erlebt Thailand gerade nicht weniger als eine Revolution.

Galerie: Fotos von der Demonstration in Bangkok.

Ich bin mit Meow verabredet, einer Aktivistin der PAD, die mir erklären will, worum es bei den Protesten geht. Meow sieht müde aus, als ich sie treffe. Die letzte Nacht habe sie nicht geschlafen, sagt sie. Meow ist ein Spitzname, ihren bürgerlichen Namen will sie im Internet nicht sehen, auch fotografieren lässt sie sich nicht.

Die Sprecher des heutigen Tages sind Meows Freunde, sagt sie. Sie alle verbindet, dass sie schon bei den Massenproteste des Jahres 1973 dabei waren, bei denen mehr als 400 Menschen getötet worden sind. Am 14. Oktober 1973 protestierten Studenten gegen das damals herrschende Militärregime. "Polizisten bedrohten uns mit Waffen", sagt Meow über ihre damalige Verhaftung. "Wir mussten unsere Oberkörper frei machen und die Arme hochstrecken." Eine ihrer Freundinnen wollte weg rennen und wurde durch einen Kopfschuss getötet. "Ich denke viel an sie und demonstriere heute für sie und Thailand" sagt Meow.

Die Ironie der Geschichte ist, dass Meow und ihre Freunde damals dafür demonstrierten, ihre Regierung demokratisch wählen zu dürfen. Heute herrscht eine demokratisch gewählte Partei, und Meow demonstriert wieder. Denn die PAD will die Regierung unter Ministerpräsident Samak Sundarave zum Rücktritt zwingen. Sie werfen Sundarave Korruption und Stimmenkauf vor – und sie sind zu allem entschlossen. "Wenn wir diesmal nicht gewinnen, sind wir bereit zu sterben", sagt Meow.

Dass in Thailand Regierungen gestürtzt und neu errichtet werden, hat eine gewisse Tradition: Seit dem Ausruf der konstitutionellen Monarchie in Thailand vor 76 Jahren gab es 18 Putschversuche und 17 verschiedene Staatsverfassungen. Erfolgreiche Putschversuche wurden immer im Einvernehmen mit dem König organisiert, der zwar keine politische Entscheidungskraft mehr hat, jedoch unter den Thailändern wie ein Gott verehrt wird. In der ständig wechselnden politischen Landschaft "bewahrte der König das Land vor Chaos", sagt Meow. Geputscht wurde meist wegen Korruption oder Handlungsunfähigkeit der Regierung.

Auch die machthabende Macht der Menschen Partei (PPP), gegen die in diesen Tagen wieder demonstriert wird, wurde bereits einmal weggeputscht. Am 19. September 2006 wurde der damalige PPP-Premier Thaksin Shinawatra durch einen Militärputsch mit Billigung des Königs abgesetzt. Thaksin wurden Korruption, Steuerhinterziehung und Wahlmanipulation vorgeworfen. Um einer Verhaftung zu entkommen, floh er ins Exil nach Großbritannien, wo er heute Besitzer des Fußballclubs Manchester City ist. Die thailändische Staatsanwaltschaft stellte einen Auslieferungsvertrag, dem die Briten jedoch bisher nicht nachkamen.

Die Militärführung, die damals die Kontrolle übernahm, beteuerte, die Macht sobald wie möglich an das Volk zurück zu geben und ließ im Dezember 2007 Neuwahlen ausrufen. Vor allem die Wähler des ländlichen Nordens sorgten aber dafür, dass erneut die PPP an die Macht kam, die dieses Mal unter der Führung von Samak Sundaravej angetreten war. "Samak ist nur die Marionette von Thaksin!", sagt Meow während wir an Zelten und einem mobilen Wasserdepot vorbei laufen "Das Geld bestimmt die Wahl. Nur wenn du Geld hast, kannst du Premier werden. Und Samak betreibt die gleiche populistische Politik wie Thaksin".

Plötzlich formiert sich die Menge zu einem langen Zug, dessen Ziel das Polizeihauptquartier ist. Meow erklärt mir, dass ihre Freunde direkt zur Polizeiführung sprechen wollen. Den ganzen Nachmittag wiederholen die Sprecher der PAD ihre Forderungen, verstärkt durch Lautsprecher, die auf das Hauptquartier gerichtet sind. Meow fasst das Manifest der PAD für mich zusammen: "Wir sehen keinen Sinn mehr in Neuwahlen, die wieder die PPP an die Macht bringen würden. Die ländliche Bevölkerung muss aufgeklärt werden, damit der Populismus Thaksins keinen Einfluss mehr hat. Mit dem Rücktritt Samaks wollen wir eine unabhängige Regierung mit Vertretern aus allen Parteien stellen. Diese wird in der Lage sein Thailands Korruption zu bekämpfen und mein Land aus der Krise führen."

Galerie: Fotos von der Demonstration in Bangkok.

Die Atmosphäre ist gespannt, ich sehe mehr "Sicherheitsleute" der PAD mit Golfschlägern unter den sonst friedlichen und unbewaffneten Demonstranten. Vor den Mauern des Polizeiquartiers applaudieren Demonstranten. Hinter den Mauern stehen Polizisten in Kampfausrüstung. In dieser geladenen Atmosphäre ereignet sich Punkt 18 Uhr etwas Skurriles: Das Lied des Königs ertönt aus den Lautsprechern. Alle Thailänder, egal ob Polizisten oder Demonstranten, stehen still in regungsloser Haltung. "Das ist Routine" erklärt mir Meow. "Jeden Morgen um 8 Uhr und jeden Abend um 18 Uhr spielt das Lied des Königs. Wir zeigen so unseren tiefen Respekt." Nach 2 Minuten endet der "Waffenstillstand" und die Forderungen schallen wieder aus den Lautsprechern.

Nach weiteren zwei Stunden Demonstrieren, Beobachten und Zuhören bin ich zu müde. Meow und die anderen Demonstranten bleiben – ich mache mich auf den Weg zu meiner Unterkunft. Im Touristenviertel ist alles friedlich, nichts zu spüren von der Revolution. Die Sonnenanbeter auf Thailand kommen und gehen – so, wie die Proteste am anderen Ende der Stadt.

Auch wichtig:
Kambodscha: Die Drag Queen von Phnom Penh
Vor 30 Jahren endete in die Terror-Herrschaft der Roten Khmer, die zwei Millionen Kambodschaner das Leben kostete. Jetzt öffnet sich das Land in großem Stil dem Tourismus - und auch das Nachtleben der Hauptstadt Phnom Penh wird liberaler. Zu Besuch bei Kambodschas erster Drag Queen. (Archiv 2008)
Birma: Schwarze Zonen
Im Vielvölkerstaat Birma werden ethnische Minderheiten brutal verfolgt. Mehr als drei Millionen Menschen sind auf der Flucht. Ein Interview zur Lage vor Ort. (Archiv 2007)
Startseite – Zuender. Das Netzmagazin


 
 



 

//  Startseite //  // Politik // Kultur // Leben // Schwerpunkte // Bildergalerien //  // Adam Green // Redaktionsblog // Rezeptor // Markus Kavka // Selim Oezdogan // Sonntagstexte //  // Zitat des Tages // Spiele //  //
//  IMPRESSUM //

 

ZUM SEITENANFANG