Kinder zu Hause zu unterrichten ist in Deutschland verboten: Es besteht Schulpflicht. Immer mehr Anhänger des Homeschooling wandern deshalb mit ihren Kindern aus.
Von Saskia Bellem
Mit dem deutschen Schulwesen hat Familie Krohmer keine guten Erfahrungen gemacht. Die Lehrerin ihrer Tochter sei streng gewesen und habe sie vor der ganzen Klasse gedemütigt. Bei schlechtem Abschneiden setzte es regelmäßig Rügen. Dem Kind tat das nicht gut: "Wenn unsere Tochter zur Schule musste, war sie frustriert und aggressiv. Sie wollte dann nur noch ihre Ruhe haben."
Irgendwann reichte es den Krohmers und sie beschlossen, nach Österreich zu ziehen. Dort darf man seine Kinder auch zu Hause unterrichten. Bereut haben sie den Umzug bislang nicht: "Seit wir unsere Tochter daheim unterrichten, ist sie viel fröhlicher. Auch die Bindung zu ihr ist wieder enger und intensiver geworden."
Mit dieser Erfahrung sind die Krohmers nicht allein. Häuslicher Unterricht, nach amerikanischem Vorbild auch Homeschooling genannt, ist gerade ein neuer Trend im deutschsprachigen Raum. Immer mehr Eltern wollen ihre Kinder zu Hause unterrichten oder unterrichten lassen. Doch anders als in Österreich und der Schweiz ist das in Deutschland verboten.
In Österreich ist Homeschooling relativ einfach: Beim örtlichen Schulrat melden Eltern ihr Kind ab. Am Ende des Schuljahres macht es dann eine sogenannte Externisten-Prüfung, in der die Inhalte des vergangenen Schuljahres abgeprüft werden. Besteht es, darf es weiter zu Hause unterrichtet werden. In Deutschland gibt es diese Möglichkeit bislang nicht. Die herrschende Schulpflicht verbietet das Fernbleiben vom Unterricht. Den Eltern drohen sogar Haftstrafen.
Trotzdem schätzt der Marburger Soziologe Dr. Thomas Spiegler, dass in Deutschland rund 700 bis 1000 Kinder zu Hause unterrichtet werden. Manchmal ermöglichten Ausnahmen und rechtliche Schlupflöcher dann doch den Unterricht zu Hause, was je nach Bundesland aber sehr unterschiedlich aussehe. Oft seien das Kinder aus sehr religiösen Familien, die eine Sondergenehmigung erhalten. Meist steckten jedoch hinter dem Wunsch, die Kinder zu Hause zu unterrichten, ganz andere Gründe. Das läge zum einen an der Auffassung, etwa Werte selbst besser vermitteln zu können. Zum anderen gäbe es auch die Befürchtung, dass Kinder in der Schule zu wenig lernen oder ihre Hochbegabung nicht ausreichend berücksichtigt wird. Hinzu kommt dann häufig noch die Angst vor Gewalt und Mobbing in den Klassenzimmern.
Thomas Spiegler hält den Vorwurf, dass zu Hause unterrichtete Kinder später über weniger Sozialkompetenz verfügen, für nicht gerechtfertigt. Riskant findet er eher, dass beim Homeschooling allein die Eltern über die Erziehung dominieren - und es keine Instanz gibt, die korrigierend einschreiten könnte. An der Bildung sollten sich, so Spiegler, Staat, Eltern und Kind gleichermaßen beteiligen.
Anzeige
Anders sieht man die Lage beim Institut für Wertewirtschaft in Wien. Das österreichische Institut berät Eltern, die ihre Kinder zu Hause unterrichten, und bietet ihnen eine Plattform zur Vernetzung an. Der Hochschullehrer Rahim Taghizadegan verteidigt das alternative Unterrichtskonzept: "Das Problem unseres Bildungssystems ist, dass es eben ein System ist. Diese "One size fits all"-Lösung genügt aber nicht mehr".
Taghizadegan sieht kaum Raum für alternative Bildungslösungen. Auch die historisch gewachsene Vereinheitlichung des Schulwesens hält er für überholt: "Frühen wurden Kinder in der Schule diszipliniert und auf ihre Rolle als brave Staatsbürger vorbereitet. Heute bleibt das Bildungswesen aus der Angst vor der Gründung von Parallelgesellschaften zentralisiert. Das ist Unsinn."