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Hochzeit (5)

Extremsport Ehe

Die Hochzeitsreise von Jon und Stacey führte die beiden Amerikaner von Barcelona nach Berlin. Mit dem Rad. Leider hatten sie die Pyrenäen vergessen.

Stacey Rose, 26, und Jon Woodroof, 23, leben in Atlanta, Georgia. Stacey ist promovierte Krebsforscherin, Jon betreibt mit ehemaligen Fahrradkurieren No Brakes, einen Fahrradladen mit angeschlossenem Punkrock-Label.

Jon verkauft ausschließlich Fixed-Gear-Bikes – Räder, die ursprünglich aus dem Bahnenradsport kommen und weder eine Gangschaltung, noch Bremsen oder sonstige Kabellage haben.

Diesen Juli heirateten Stacey und Jon. Im Anschluss tourten sie von Barcelona nach Berlin – per Bahn und Tandem. Ein Gespräch über ihre ungewöhnliche Hochzeitsreise, warum Amerikaner jetzt anfangen Fahrrad zu fahren – und was das Internet damit zu tun hat.

Galerie: Fotos aus Stacey und Jons Reise-Album.

Stacey: Jon und ich sind jetzt seit fast drei Jahren zusammen. Kennengelernt haben wir uns im November 2005, beim Sierra Club, einer Unweltschutzorganisation. Dort gab es eine Veranstaltung namens "Sierra Club und Bier". Der Name ist lächerlich, aber wenn du mit einem Fahrrad kamst, war das Bier den ganzen Abend kostenlos. Wir waren also beide mit unseren Rädern da. Und wir begegneten uns in der Bier-Schlange.

Jon: Wenn du uns nicht kennst, denkst du vielleicht, dass Stacey nur Wissenschaftlerfreunde hat, die alle keinen Sport machen. Und dass ich nur mit langhaarigen, tätowierten Fahrradkurieren abhänge. In Wahrheit kennen wir viele unserer Freunde durchs Radfahren. Stacey und ich fahren beide auch im Velodrom. Mit ihren Kollegen verstehe ich mich übrigens auch, in das Labor gehe ich regelmäßig Blut spenden. Sie zapfen mir mein Blut ab, und Stacey macht den ganzen Tag Experimente damit. Es ist fast romantisch.

Stacey: Im Mai letzten Jahres hat Jon dann um meine Hand angehalten...

Jon: Wir waren auf der nordamerikanischen Meisterschaft der Fahrradkuriere in San Francisco, um Kontakte für meinen Fahrradladen zu bekommen. Ich war total nervös. Ich hatte den Ring in meiner Tasche, wir fuhren gemeinsam mit dem Rad über die Golden Gate Bridge und schauten über die Bucht auf San Francisco.

Stacey: Als wir anhielten, wusste ich, dass irgendwas passieren würde. Jon verhielt sich verdammt merkwürdig. Sein Herz hämmerte. Ich wusste: Jetzt kommt was. Geheiratet haben wir diesen Juli – nicht in der Kirche, sondern in einem Kulturzentrum. Es gab auf unserer Hochzeit keinen Gott und kein Fleisch.

Jon: Wir hatten einen 500-Euro-Gutschein bei der Eröffnung eines neuen Tattoo-Studios gewonnen. Was für ein Zufall: der Typ, der die Lose gezogen hat, fährt ein Fixed-Gear-Rad und ist Kunde in meinem Laden... meine Brust bedeckt jetzt ein Tattoo unseres Hundes, ein englischer Bulldog, zusammen mit einem Banner, auf dem steht: "A Deal Is A Deal". Stacey hat sich ein Bild von einem Fixed-Gear-Rad auf dessen Lenker Vögel sitzen tätowieren lassen. Und das gleiche Banner. Der "Deal" steht für unsere Abmachung: die Ehe. Auf Hochzeitsreise wollten wir nach Europa – Stacey war hier noch nie – und die Idee einer Tandem-Tour schien abenteuerlich und lustig.

Stacey: Die Idee ist allein schon lustig, weil es aus Sicht der Fixed-Gear-Szene natürlich total nerdig ist, so ein großes Fahrrad zu fahren, mit all den Taschen dran und in Spandex-Klamotten.

Jon: Tandemfahrer kommen aus einer ganz anderen gesellschaftlichen Sphäre als Fixed-Gear-Fahrer. Tandemfahren ist in den Staaten eine Subkultur der 40-jährigen Ehepaare. Als Ehepaar mit Tandem und Fixed-Gear-Laden üben wir den Brückenschlag zwischen den Szenen. (lacht)

Wir begannen unsere Hochzeitsreise in Barcelona und fuhren von dort nach Frankreich, mit dem Zug weiter nach Montpellier, mit dem Rad nach Marseille und dann mit dem Zug nach Zürich, Hannover und Berlin, von wo aus wir wieder nach Atlanta zurückflogen. Für die Radstrecken benutzten wir GPS und programmierten die Route so, dass Autobahnen gemieden werden. Das hat aber nicht immer geklappt.

Stacey: ...und das war dann nicht so geil. Auf dem Weg nach Frankreich wurden wir von der spanischen Polizei angehalten. Die Kommisare fragten uns: "Seid ihr die Leute, die wir vor drei Stunden auf der Autobahn gesehen haben?" Wir so: "Äh, ja." Wir haben sie an dem Tag dann noch mehrmals gesehen. Sie haben uns sozusagen gestalkt, aber jedesmal wenn sie uns sahen hupten sie und grüßten freundlich.

Jon: Euro-Cops sind nicht so schlimm wie Ami-Cops.

Stacey: Wir haben die Route jedenfalls bei weitem nicht gut genug geplant. Wir dachten: "Wir fahren jeden Tag Fahrrad. Wenn wir für 200 Kilometer einen ganz Tag berechnen, sollte das klar gehen." Zumal unser Tandem kein Fixed-Gear-Rad ist: es hat eine Gangschaltung, das Bremsen ist einfacher, und so weiter. Aber wir haben die Existenz der Pyrenäen komplett vernachlässigt. Dann dann waren da noch 36 Kilo Gepäck...

Jon: Der erste Tag endete um halb zwei Uhr nachts in einem Hotel in der ungefähr letzten Stadt in Spanien. Wir dachten, wir würden es noch nach Frankreich schaffen, aber es war steil, stockfinster und wir waren vor Erschöpfung total im Delirium. Gut so: am nächsten Morgen konnten wir bei der Abfahrt nach Frankreich die Aussicht viel besser genießen.

Stacey: In Europa hupten uns die Leute auch ständig ermutigend zu. Es war bizarr, denn wir sind so an aggressive Autofahrer gewöhnt, dass ich einem Typen, der uns anhupte, reflexartig den Mittelfinger zeigte. Aber in dem Auto strecken alle die Daumen nach oben. Und ich so: "Uuups... ’tschuldigung!"

Galerie: Fotos aus Stacey und Jons Reise-Album.

Jon: Wenn wir in Frankreich hielten, redeten die Leute freundlich auf uns ein. Wir sprechen leider kein Französisch, aber es war nett. In den Staaten, vor allem in den Städten, gibt es Arschlöcher, die dich anschreien. Regelmäßig, ein oder zweimal pro Woche, gerate ich in Streitereien mit Autofahrern. Sie schneiden mir den Weg ab, hupen, es kam auch schon vor, dass Fahrer ihre Waffen gezogen haben und mich bedrohten. Und das alles nur, weil ich mit einem Fahrrad auf der Straße fahre. Hier in Europa ist das eine Selbstverständlichkeit.

2005, als Stacey und ich uns kennen lernten, gab es nur wenige Radfahrer in Atlanta. Die Leute starrten dich an und sagten: "Du fährst mit dem Rad zur Arbeit? Bei dem Verkehr? Du bist verrückt!" Seitdem fahren aber immer mehr Leute Fixed-Gear-Räder.

Stacey: Der Fixed-Gear-Trend kommt von Fahrradkurieren, die ein simples, verlässliches Rad für den täglichen Gebrauch wollten. Aber es hat auch mit Ego und Adrenalin zu tun. Jetzt tauchen immer mehr Fixed-Gear-Räder in den Mainstream-Medien auf. Pharrell Williams fährt Fixed Gear. Kanye West auch.

Jon: Das Internet hat extrem geholfen, Fixed-Gear-Räder populär zu machen. Ich glaube, dass das bei Skateboards und BMX sehr viel länger gedauert hat, weil du in den 80ern das Zeug nicht einfach auf YouTube anschauen konntest. Heute gibt es so viele Blogs, die die Szene pushen, zum Beispiel Trackosaurus Rex. Es gibt Velospace, das MySpace für Fahrräder, was natürlich ganz fürchterlich ist, aber ich bin dort auch angemeldet. Es gibt Bildergalerien voll mit Fahrradbildern...

Stacey: ...man nennt das auch Fahrrad-Pornografie.

Jon: Es ist jedenfalls eine sehr internetlastige Szene. Ich bekomme 300.000 Views pro Monat in meinem Flickr-Account und habe keine Ahnung wo die Leute alle herkommen.

Stacey: Während unserer Hochzeitsreise machte Jon Fotos mit seinem Blackberry und lud sie in sein Flickr-Profil. Als wir in Zürich in einen Fixed-Gear-Laden namens Gorilla Bikes gingen, starrte uns der Typ dort entgeistert an und sagte: "Ich habe mir gestern alle eure Fotos angeschaut... es ist, als ob ich in ein Foto einsteige..."

Jon: Es ist auch eine gute Zeit, um in Amerika im Fahrrad-Business zu sein. Die Benzinpreise steigen und die Leute fangen an zu realisieren: "Hey, Radfahren macht Sinn!" Mittlerweile kommen Leute aus allen Südstaaten in den Laden.

Stacey: Es ist schon verrückt. Ich hatte gestern erst so einen "Ich bin jetzt total erwachsen"-Moment. Weißt du: Haus gekauft, geheiratet...

Jon: ...Unternehmen gegründet. Yeah, verdammt richtig.

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