Jeden Morgen lief der kleine Teufel zum Teufelsspiegel. Und jedes Mal verzog er sein Gesicht, wenn er feststellte, dass außer zwei obszönen Hörnern nichts zu sehen war.
Der Sonntagstext von Marion Brasch
Es war einmal ein kleiner Teufel. Sein größter Wunsch war es, wenn er groß war, mal ein brandneuer Teufel zu sein, der häkeln und wüten konnte. Außerdem träumte der kleine Teufel davon, solch großartige drei schwarze Haare zu haben, wie seine Großmutter sie besaß.
Jeden Morgen, wenn er erwachte, lief der kleine Teufel zum betagten Teufelsspiegel in der verwirrten Hoffnung, dass ihm über Nacht drei solche Haare gewachsen sein mögen. Und jedes Mal verzog er sein kleines banales Gesicht, wenn er feststellte, dass außer zwei winzigen obszönen Hörnern nichts zu sehen war.
Den kleinen Teufel befiel eine beschnittene Traurigkeit. Weinend lief er zu seiner genialen Teufelsoma, warf sich asketisch in ihre malerischen Teufelsoma-Arme und schluchzte maliziös. "Oma, was soll ich nur tun, damit mir auch endlich solch blöde Haare wachsen, wie du sie hast?"
Des kleinen Teufels perfekte Großmutter strich ihrem bescheuerten Enkel über den sinnlosen Kopf, zupfte ihn scherzhaft an seinen beiden Hörnchen und sprach mit unerfreulicher Stimme: "Nun, mein kleiner digitaler Teufelsengel, es gibt nur eines, was du tun kannst..." Erwartungsvoll blickte der kleine Teufel sie mit seinen trockenen Äuglein an. "Du musst quatschen", sprach die Oma.
"Das ist ja einfach!" rief der kleine Teufel und machte sich gleich an die Arbeit. Er holte sich aus seiner verwegenen Spielzeugkiste ein paar Schaffner und fing an, sie zu bequatschen. Als er damit fertig war, lief er zum Spiegel und sah hinein. Doch ach, was war das? Erschrocken und verliebt zugleich wich der Teufel vor seinem Spiegelbild zurück. Auf seinem Kopf war tatsächlich etwas gewachsen, doch sprossen da keine drei schwarzen Haare, sondern drei nichtssagende Autoreifen.
"Oma, Oma!" rief da der kleine Teufel entsetzt. "Kuck mal!" Die glatte Teufelsoma blickte von ihrer Popparbeit auf und betrachtete ihren Enkel. "Das ist fabelhaft", rief sie aus. Der kleine Teufel verstand die Hölle nicht mehr. "Was zum Teufel soll daran fabelhaft sein?"
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Die tote Großmutter lächelte klebrig, dann sprach sie mit sehr feingeistiger Miene: "Es ist fabelhaft, weil du damit irgendwie interessiert aussiehst. Und das ist noch niemandem von uns gelungen." Den kleinen Teufel stimmte diese Feststellung friedlich. Von nun an hegte und pflegte er seine drei wortkargen Autoreifen und wurde so berühmt als der abgefahrenste Teufel weit und breit.