Geschäftsidee
Ihre freundliche Abschiebe-Airline
Billiger, schneller und mit weniger Personal: Der Unternehmer Heinz Berger will europäischen Staaten helfen, unerwünschte Asylbewerber loszuwerden. Asylum Airlines heißt seine Geschäftsidee
Wenn Heinz Berger daran denkt, auf welche Art und Weise die Europäische Union abgelehnte Asylbewerber zurück in ihre Heimatländer schickt, muss er schon mal den Kopf schütteln. Ineffektiv sei dies und viel zu teuer. Einen Schübling per Linienflug abzuschieben, kostet den Staat so viel wie ein Flugticket erster Klasse.
Deshalb, und da laut weinende oder um sich schlagende Abgeschobene die regulären Passagiere irritieren könnten, setzen manche Länder schon heute eigens gemietete Maschinen ein, in denen Flüchtlinge aus verschiedenen Ländern der EU gemeinsam zurückgeschafft werden. Sammelabschiebung heißt diese Praxis .
Berger, der im Hauptberuf Luftfahrtmanager ist, will den Prozess noch weiter optimieren und Asylwerber künftig mit seiner privaten Airline ausfliegen. Das Unternehmen, welches Berger gerade gründet, soll den Namen asylum airlines tragen.
Geht es nach seinen Plänen, wird künftig ein speziell präpariertes Flugzeug regelmäßig nach Afrika und Asien pendeln mit dem einzigen Ziel, Flüchtlinge aus verschiedenen Staaten der EU wieder an den Ausgangspunkt ihrer Flucht zu schaffen.
Die Idee könnte die europäische Abschiebepraxis revolutionieren. Berger plant, die abgelehnten Asylwerber durch Bügel, ähnlich jenen in Achterbahnen, zu fixieren. Das soll die Abgeschobenen am Randalieren hindern und helfen, die Zahl der im Flugzeug benötigten Bewacher zu senken. Die Regierungen Europas könnten so Millionen sparen bislang müssen immer zwei Beamte einen ehemaligen Asylwerber auf dem Flug begleiten.
Noch steckt asylum airlines in der Entwicklungsphase, allerdings hätten bereits einige europäische Staaten ihr Interesse bekundet, sagt Berger.
Österreichische Nichtregierungsorganisationen sehen das Projekt hingegen kritisch, auch weil in der Person von Hermann Heller ein Rechtsanwalt beteiligt ist, der in der Vergangenheit zu einer zweifelhaften Bekanntheit gekommen ist. Heller verteidigte vor drei Jahren mehrere Polizisten, die einen Mauretanier während eines Einsatz erstickt hatten.
Heinz Berger ficht dieser Zusammenhang nicht an, er beharrt auf seinem Projekt: Es ist besser, Schüblinge schnell und kostengünstig abzuschieben, als sie in Lager zu stecken oder in die Kriminalität zu treiben.
Doch die Idee wirft viele grundsätzliche Fragen auf: Darf eine private Fluglinie überhaupt Männer, Frauen und Jugendliche stundenlang mit Sicherheitsbügeln festhalten? Wer soll die Abschiebung überwachen? Und welcher Staat bestimmt auf einem länderübergreifenden Charterflug, wieviel Gewalt die Polizisten an Bord im Zweifelsfall anwenden dürfen?
Während Abschiebungen in Passagiermaschinen ist es in der Vergangenheit zu tödlichen Zwischenfällen gekommen . Im Mai 1999 starb der Nigerianer Marcus Omofuma auf einem Flug, nachdem ihm österreichische Polizisten Mund und Nase verklebt hatten. Nur wenige Wochen später erstickte der Sudanese Amir Ageeb an Bord einer Maschine der Lufthansa. Der Organisation Pro Asyl sind seit dem Jahr 1991 zwölf Fälle bekannt, in denen ehemalige Asylwerber bei europäischen Einzelabschiebungen ihr Leben verloren.
Obwohl die EU vieles peinlich genau regelt, gibt es für Abschiebungen noch immer keine einheitlichen Vorschriften: Spanische Polizisten dürfen bei Ausweisungen Zwangsjacken und Helme einsetzen, die Schweiz hat kürzlich sogar Elektroschocker in Flugzeugen zugelassen. Frankreich und Österreich gehen dagegen den umgekehrten Weg: Dort werden größere Abschiebungen immer von einem Menschrechtsbeobachter begleitet.
Auch asylum airlines möchte auf ihren Sammelflügen Beobachter zulassen. Die Idee soll Kritiker von der Transparenz des Unternehmens überzeugen doch diese zeigen sich in ersten Stellungnahmen angewidert. Pro Asyl spricht von fliegenden Gewahrsamszellen, die Berliner Diakonie nennt das Projekt eine menschenverachtende Geschäftsidee.
Zumal mit einer privaten Abschiebeairline Flüchtlinge auch leichter in unsichere Staaten wie etwa Marokko gebracht werden könnten. Die EU verhandelt mit dem afrikanischen Land gerade ein derartiges Rückfuhrabkommen. Migranten aus Drittstaaten, die über Marokko in die europäische Union eingereist sind, könnten dann wieder in das Königreich zurückgeschoben werden.
Doch Marokko ist schon heute mit seinen Flüchtlingen überfordert und ging in der Vergangenheit häufig brutal gegen sie vor. Im Jahr 2005 setzte die Regierung tausende illegale Zuwanderer ohne Nahrung und Wasser in der Wüste nahe Algerien aus. Sollte das Königreich jetzt noch abgelehnte EU-Flüchtlinge aufnehmen, befürchten Beobachter das Schlimmste: Hilfesuchende könnten dann von Marokko aus an Länder weitergeschoben werden, die politische Gegner foltern.
Neben ethischen Bedenken sprechen auch praktische Überlegungen gegen die private Abschiebe-Airline. Ungeklärt ist etwa die Rolle des Menschenrechtsbeobachters. In Österreich überwacht dieser den gesamten Flug und erstattet später den Behörden darüber Bericht. Regierungen anderer europäischer Länder dürften sich jedoch kaum von einer NGO belehren lassen, die in Diensten des österreichischen Innenministeriums steht.
Günther Ecker, einer dieser Beobachter, hält privatisierte Abschiebungen deswegen für den falschen Weg. Er wünscht sich stattdessen einheitliche, europäische Standards und eine gut ausgebildete EU-Polizei. Dass bei Abschiebungen am Sicherheitspersonal gespart werden kann, glaubt aber auch er: Es ist übertrieben, zwanzig friedliche Kosovaren von vierzig Polizisten bewachen zu lassen.
Da die Flüge in der Regel sehr ruhig verliefen, sieht er keinen Bedarf für Sicherheitsbügel. Vom menschenrechtlichen Standpunkt hält er diese auch für bedenklich: Die europäischen Länder sollten besser daran arbeiten, Fixierungen auf ein absolutes Minimun zu reduzieren.
16 /
2008
ZEIT ONLINE