Roma stehlen, sind faul und schicken ihre Kinder nicht zur Schule. Einen Rumänen vom Gegenteil zu überzeugen, ist eine echte Herausforderung.
Von Arne Semsrott
In Deutschlands Kindergärten wird häufig „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?“ gespielt. Rumänen haben da ihre eigenen Feindbilder. „Sei still, sonst holen dich die Zigeuner“ wird rumänischen Kindern eingebläut, weitere rumänische Ausdrücke wie „ertrinken wie ein Zigeuner“ oder „wie ein Zigeuner im Zelteingang reden“ sind fest im Sprachgebrauch verankert.
Nein, Rassisten seien sie nicht, sagen meine Bekannten. Aber dass die Roma stehlen, das sei nun mal ein Fakt. Und dass sie ihre Kinder nicht zur Schule schicken würden. Arbeiten wollten sie auch nicht, während die Rumänen täglich schufteten. Als Beweis für diese These deutete eine Bekannte bei einer kürzlichen Unterhaltung auf drei Roma, die am Nachmittag an einer Straße saßen. „Look, they are eating!“, meinte sie.
Selbst Bekannte, die ich sonst als liberal einschätze, sagen, die Roma seien wie Straßenhunde: „Sie nisten sie sich überall ein, wo man sie nicht verscheucht.“ Eine weitere große Sorge der Rumänen: „Sie beschmutzen unseren Ruf im Ausland!“ Weil Roma-Banden mittlerweile in ganz Europa als Diebe bekannt seien. Das werde sich leider nie ändern, meinte eine Bekannte, das Stehlen läge den Roma nun mal im Blut.
„Ich hoffe, dass sich die Situation der Roma verbessert“, sagt Cezara David. „Aber ich weiß nicht, wann.“ Seit sechs Jahren arbeitet sie für die Organisation
Romani CRISS,
die neben der rechtlichen Gleichstellung auch für die reale Gleichbehandlung der rund 500.000 Roma in Rumänien kämpft.
Sie erzählt von der alltäglichen Diskriminierung, der auch sie oft ausgesetzt ist. „Wenn ich mit Freunden unterwegs bin, die sich nach Roma-Tradition kleiden oder eine etwas dunklere Hautfarbe haben, können wir uns nicht normal bewegen.“ In Geschäften würden sie von Angestellten argwöhnisch beäugt und verfolgt, in die Disko nicht hineingelassen.
Die Diskriminierung zieht sich durch alle Bereiche der Gesellschaft, besonders schlimm sieht es in der Bildung aus: Roma-Kinder gehen auf eine Grundschule, rumänische Kinder auf eine andere. Erklären lässt sich diese Segregation mit einer kürzlich erhobenen Umfrage, bei der herauskam, dass 50 Prozent der Rumänen ihre Kinder nicht in eine Klasse mit Roma schicken wollen.
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Wo der Kontakt zwischen den Bevölkerungsgruppen fehlt, können Vorurteile sich von kleinauf frei entfalten. In der Zeitung kann man öfters über von Roma verübte Morde lesen, obwohl es gesetzlich verboten ist, die Ethnie von Täter und Opfer zu nennen. Kriminalität von Roma bringt eben Auflage und wird ein Rumäne von Roma beklaut, gilt das als erneuter Beweis dafür, dass alle Roma kriminell sind.
Mit rationalem Denken ist einer solchen Einstellung nicht beizukommen. Obwohl fast jeder meiner Bekannten zugibt, sich mit einigen Roma gut zu verstehen, stellt keiner seine Vorurteile in Frage. Die netten, ehrlichen, redlichen Roma – das seien eben nur Ausnahmen.
Einige Fortschritte erzielen die zwanzig Angestellten von Romani CRISS. In einem Gesundheits-Programm haben sie für alle Roma-Gemeinden Rumäniens medizinische Berater ausgebildet. Und durch den Druck des angekündigten EU-Beitritts beschloss das rumänische Parlament in den vergangenen Jahren Gesetze gegen Diskriminierung und Minderheiten-Quoten an Universitäten.
Oft mutet die Arbeit für eine vorurteilsfreie rumänische Gesellschaft aber wie ein Kampf gegen Windmühlen an. Zum Beispiel, wenn
Traian Băsescu
, der Präsident, eine Journalistin als „stinkende Zigeunerin“ beschimpft und die daraus resultierenden Anklage gegen ihn mit der Begründung abgelehnt wird, er habe seine Äußerung nicht in der Öffentlichkeit formuliert.
Ob ihr Job frustrierend sei, will ich von Cezara wissen. „Ich merke oft, wie wichtig unsere Arbeit ist, besonders, wenn Menschen unsere Organisation besuchen und sich bedanken“, sagt sie. Frustrierend sei es aber, wenn selbst Bewerber für einen Job bei Romani-CRISS während des gesamten Bewerbungsgesprächs krampfhaft ihre Handtasche festhielten. Oder wenn sie sehe, wie ihre eigenen Freunde nach ein paar Bieren ihre Hemmungen verlieren und zeigen, dass auch sie ihre Vorurteile gegen Roma weiter pflegen. Manchmal, sagt Cezara, geht sie nach der Arbeit nach Hause und weint einfach nur noch.