Tschuldigung, wer bekommt hier das Schmiergeld? Wer in Rumänien etwas erreichen will, regelt es meistens mit einer kleinen oder großen Gefälligkeit. Das hat mittlerweile auch unser Autor Arne Semsrott gelernt.
Wie doof kann man eigentlich sein? Da steigen meine Kollegin und ich in Timisoara, der westlichsten Stadt Rumäniens, in die Straßenbahn und kaufen uns vorher kein Ticket. Klar, in Bukarest klappt das auch und in Suceava, wo ich derzeit wohne, kauft jeder seinen Fahrschein im Bus.
Timisoara aber ist ein anderes Kaliber: Fünf Meter fährt die Tram und schon verlangt ein Kontrolleur erst unsere Tickets, und als wir diese nicht vorweisen können unsere Personalausweise. Klasse. Jeder naive Tourist würde in dieser Situation autoritätsgläubig die Anweisungen befolgen. Wir natürlich auch.
Der sympathische Mittvierziger telefoniert fröhlich seine Kollegen herbei. Nach zwei Minuten stehen sie lächelnd um uns herum und erläutert uns die Möglichkeiten: Entweder wir zahlen die angeblich reguläre Strafe in Höhe von 200 Lei, knapp 55 Euro. Oder halt weniger, letztere Option sei aber leider ohne Quittung. Wir einigen uns auf je 50 Lei Strafgeld, bekommen unsere Ausweise zurück und freuen uns, dass wir so gerissen waren. Später erfahren später von Einheimischen, dass die offizielle Strafe bei 20 Lei, also knapp 5 Euro liegt.
Nach einem Bericht der Organisation Transparency International ist Rumänien das viertkorrupteste Land der EU. Nach Einschätzung seiner Bürger ist es demselben Bericht zufolge allerdings das korrupteste. Im Jahr 2007 gaben 33 Prozent der Rumänen Schmiergelder für Leistungen, das sind 13 Prozent mehr als im Jahr zuvor.
Dementsprechend kann jeder Rumäne interessante Geschichten über Korruption erzählen: Meine rumänischen Freunde berichten mir von Politikern, die Wurstkörbe und wertvollere Geschenke bekommen, Chefredakeure großer Zeitungen verlangten für die Nichtveröffentlichung von Skandalen Schmiergelder, Richter entschieden nach Größe der Geldbeutel.
In Krankenhäusern ist die Lage besonders schlimm. Freunde erzählen, dass Ärzte vor Operationen unter der Hand extra bezahlt werden. Krankenschwestern kümmern sich oft erst nach dem Verabreichen von Finanzspritzen um Patienten und selbst die Putzfrauen lassen sich für das Wechseln von Bettlaken entlohnen. Es sollen schon Mütter bei der Entbindung ihrer Kinder wegen nicht geleisteter Sonderzahlungen im Kreißsaal gestorben sein.
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Den Jugendlichen eröffnet die Korruption ungeahnte Chancen auf dem Arbeitsmarkt: In Suceava kostet ein Job als Krankenschwester 2.000 Euro, Polizisten bezahlen für eine Anstellung knapp 3.000 Euro an die Vorgesetzten, Staatsanwälte und Richter müssen mit 10.000 bzw. bis zu 20.000 Euro da schon tiefer in die Tasche greifen. Und dieses Bestechungsgeld will natürlich in der Folgezeit wieder hereingeholt werden – Justiz, Polizei, Behörden, Politik, Wirtschaftswelt und Massenmedien stecken so alle in einer Spirale der „kleinen Gefälligkeiten“.
Als ich ein befreundetes rumänisches Ehepaar frage, ob die Korruption durch den Beitritt Rumäniens in der EU bald eliminiert werde, lachen beide erst herzlich und rufen dann „consider it done!“, ist schon erledigt. Nach ihrer Theorie hat sich das Land nämlich gerade durch Bestechungsgelder den Weg in die Europäische Gemeinschaft erkauft. Sie, Ariane, ist als Anwältin tätig, er, Cornel, arbeitet bei einer Arbeitsvermittlung. Beide lassen sich eigentlich nicht schmieren, jedoch wurde Cornel kürzlich schwach: Nachdem er einem lange arbeitslosen Mann eine Stelle verschafft hatte, wollte sich dieser bei ich bedanken und ihm etwas Selbstgemachtes schenken – eine ausgestopfte Ente. Die ziert jetzt sein Büro im Jobcenter.
Die Situation in ihrem Land fasst Ariane so zusammen:
„Nothing’s gonna change anyway. But we’re optimistic.“