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Rapstars

"Tachchen, ick will mein Leben zurück"

Die Firma fragt: Was kommt als nächstes? Sie sagen: nüscht. Icke & Er hören auf, wenn es am schönsten ist und kehren dem Popgeschäft freiwillig den Rücken. Ein Abschiedsinterview

Als Icke & Er im Sommer 2006 erst auf MySpace und dann in der deutschen Öffentlichkeit auftauchten, war die Aufregung groß: Spiegel TV nannte das Spandauer Rap-Duo Deutschlands berühmteste Hartz IV-Empfänger, Stefan Raab wollte sie in der Sendung haben, Labelmanager rissen sich um sie. Kurz darauf "enthüllte" der Berliner Kurier : Pop-Schwindel des Jahres! Die beiden kämen gar nicht aus Spandau, sondern seien Werbetexter aus Hamburg. Aber ganz ehrlich: Ist es überhaupt wichtig, wer hinter den verspiegelten Sonnenbrillen und angeklebten Schnauzbärten steckt? Icke & Er hatten tolle selbstgedrehte Videos, eine sympathische Einstellung ("Machet einfach") und unfassbare Reime. Ihnen verdanken wir Liedzeilen wie: "Muss ick morgen in den Krieg, is det richtig geil, kann ich noch ein bisschen Playstation spielen, auch voll geil."

Nach nur einem Album kehren sie jetzt dem Popgeschäft den Rücken. Mit Zuender sprachen sie über die Schattenseiten des Musikgeschäfts, ihre Finanzen und die Vorteile des Aufhörens.

Ihr seid erst seit eineinhalb Jahren im Geschäft, seid bei einem Major-Label unter Vertrag. Andere Bands träumen von so einer Situation. Wieso steigt ihr jetzt aus?

Icke: Wie wir schon in dem Song Exit Strategie sagen: Man kann machen, was man will, aber nicht immer wollen, was man will. Andere Bands bereiten sich lange auf so etwas vor, nehmen Demotapes auf und verfolgen Strategien. Wir haben aus einer Sauflaune heraus einen Song gemacht. Daraufhin standen die Labels bei uns Schlange und wollten uns unter Vertrag nehmen. Das war schon mal eine komische Ausgangssituation.

Die Albenproduktion war schön, aber den Rest des Musikgeschäft kann ich nicht weiterempfehlen. Normalerweise müssten wir jetzt eine Tour machen, neues Album, wieder Tour und so weiter – das wollen wir nicht. Wir hören lieber auf, wenn es am schönsten ist. Wir sagen, wann Schluss ist, und nicht die.

Was war denn so schlimm am Musikgeschäft?

Icke: Wenn man bei einem Majorlabel unter Vertrag ist, hat man es in erster Linie mit Arschlöchern zu tun. Das sind Leute, mit denen man im normalen Leben nie lange abhängen würde. Aber weil man einen Vertrag hat, haben sie ein gutes Recht, was von einem zu wollen.

Und was wollten sie von euch?

Icke: Zum Beispiel, dass wir Promotion machen. Aber wir hatten von Anfang an keinen Bock, die nächste Sau zu sein, die durchs Dorf getrieben wird. Wir sind nicht zu Stefan Raab gegangen und haben auch sonst nichts gemacht.

Ihr macht lieber euer eigenes Ding?

Icke: Genau das wollte ich sagen. Du hast es nur mit sehr viel weniger Worten geschafft, Glückwunsch.

Habt ihr als Rapstars wenigstens richtig Geld verdient?

Icke: Geld gab es schon, aber nicht so viel, dass wir sagen: "Alter, ich muss nie wieder arbeiten." Kein Mensch im Musikgeschäft macht im Moment dick Knete, außer er heißt Grönemeyer und spielt in ausverkauften Stadien. Man bekommt nicht jeden Monat 5.000 Euro aufs Konto überwiesen, bloß weil man bei einer großen Plattenfirma ist. Um Geld zu machen, müsste man ja Platten verkaufen und das haben wir nicht. Unser Album hat sich höchsten 5.000 Mal verkauft. Frag mal bei Sony nach: außer Spesen nichts gewesen.

Habt ihr mal geschaut, was der Mercedes aus dem Video zu "Richtig geil" auf Ebay Wert ist?

Icke: Nee, aber gute Idee, machen wir sofort.

"Richtig geil" war der Internethit des Jahres. Woran lag es, dass sich euer Album danach so schlecht verkauft hat?

Icke: Das liegt auch daran, dass es vor allem runtergeladen wurde. Ich kann es den Leuten nicht verdenken, weil es so einfach ist. Ich musste ihnen teilweise erklären, was ein Plattenladen ist, die wissen das nicht mehr.

Mal zurück zum Anfang. Was habt ihr gemacht, bevor ihr Rapstars wurdet?

Icke: Ich hab meinen ganz normalen Job gemacht, nichts besonderes, halt zum Geld verdienen. Er hat rumgelebt und Beats gemacht, für die sich kein Schwein interessiert hat.

Er: (murmelt etwas)

Icke: Mittlerweile ist Er eine Marke und Leute rufen ihn an und wollen Beats haben. Insofern hat uns die Karriere schon etwas gebracht.

Was habt ihr gedacht, als "Richtig geil" auf einmal von Zehntausenden Menschen auf MySpace gehört wurde und der Medienrummel losging?

Icke: Ganz ehrlich? (Pause) Ich dachte erst: Ihr habt doch alle einen Dachschaden. Es ist ja ein geiler Song, aber kein Grund, so auszurasten.

Natürlich haben wir uns auch gefreut. Stell dir das mal vor: Wir hatten vor einer Woche MySpace entdeckt und hatten sofort Zweitausend Friends und Messages von fünf Plattenfirmen, die alle sagen: "Atzen, ihr seid gut drauf, wir wollen euch unter Vertrag nehmen."

Wie hat sich euer Alltag in Spandau danach verändert?

Icke: Spandauer sind entspannte Menschen. Die grüßen uns vielleicht auf der Straße, aber sonst lassen sie uns in Ruhe. Bela B. , der auch aus Spandau kommt, geht es genauso.

Die wichtigste Veränderung für mich war, dass ich monatelang nicht ausschlafen konnte, weil wir morgens irgendwelche Termine hatten. Das hat mich richtig aggressiv gemacht.

Der Berliner Kurier hat euch vorgeworfen, ihr kämt gar nicht aus Spandau, sondern wärt Werber aus Hamburg und hättet alle verschaukelt.

Icke: Das stimmt natürlich nicht, diese Gerüchte schaden uns. Besonders schlimm ist, dass wir angeblich Werbetexter sein sollen. Im Nachhinein hätte ich mir gewünscht, der Kurier hätte sich etwas Anderes ausgedacht, zum Beispiel, dass wir Baggerfahrer aus Chemnitz sind. Die Leute mögen Werbetexter nicht besonders, haben wir gemerkt.

"Richtig geil" war damals im Internet das neue "Sonnenlicht" – ein Track, den alle kennen, aber keiner ernst nimmt.

Icke: Ja, wir waren der Witz des Jahres. Mir was das egal, aber für Er war es schlimm. Den Beat von "Sonnenlicht" kannst du mit seinen einfach nicht vergleichen.

Fühlt ihr euch zu wenig ernst genommen?

Icke: Nein, die richtigen Leute haben auf jeden Fall erkannt, dass wir etwas können. Wer sich unser Album angehört hat, weiß auch, dass da mehr war als "Richtig geil".

Er: (Murmelt etwas)

Icke: Er sagt, Humor ist völlig okay, die Leute sollen Spaß haben. Wir sind ja nicht Grönemeyer oder der Papst.

Hattet ihr eine Botschaft?

Icke: Unsere Botschaft war gleichzeitig der Titel des Albums: Mach et einfach. Es gibt immer gute Gründe, Sachen nicht zu machen, aber man sollte sich davon nicht abhalten lassen. Das gilt für viele Lebensbereiche.

Ihr habt mit bekannten Künstlern wie Bela B. und Rolf Zacher zusammen gearbeitet. Wer wäre noch ein Wunschkandidat gewesen?

Harald Juhnke. Das war ein Mann mit Stil. Klar hatte er seine Fehler und Schwächen, aber er ist immer noch der wichtigste Berliner – neben Rolf Zacher.

Was war die erste Platte, die ihr euch gekauft habt?

Icke: Meine war "The Final Countown" von Europe , ein sehr schlechtes Heavy Metal Album aus Schweden, auf dem jeder Song klingt, wie der davor. Aber mit dreizehn fand ich das geil.

Er: (Murmelt etwas)

Icke: Ers erstes Album war das "Hot, Cool and Vicious" von Salt’n Pepa . Er stand immer schon auf HipHop, ich eher auf Rock.

Und die letzte Platte?

Icke: Er hat sich das letzte Wu Tang Album gekauft, ich die neue Queens of the Stone Age .

Was macht ihr nach der Musiker-Karriere?

Icke: Nach der Tour, erst mal chillen. Und dann fange ich wieder im Video-Shop an.

In "Exit Strategie" kündigt ihr euer Comeback an. Wann ist damit zu rechnen?

Icke: In nächster Zeit sicher nicht, aber man soll nie nie sagen. Wenn wir in einem oder in fünf Jahren denken, wir müssten den Dackel wieder satteln, dann tun wir das.
Die Ankündigung in "Exit Strategie" hatte eher poetische Gründe: Nicht so streng sein, ein Comeback muss schon drin sein – das ist ein prima Reim.

Wenn Er rappen und Icke die Beats machen würde, hießet ihr dann Er & Icke?


Er: (Murmelt etwas)

Icke: Dann würden wir Dicke & Schwer heißen.

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